Sport ist Wort
Von Wolfgang Paterno
Bisweilen liegen Bolzplatz und Bühne gleich nebeneinander. Die vom Dramatiker und Lyriker Bertolt Brecht ins Theaterpublikum seiner Zeit geschleuderte Aufforderung, bloß nicht so romantisch zu glotzen, lässt sich flugs auf den Fußballplatz transferieren. Romantischglotzer sehen im Fußball gern Wettbewerb, Körperkampf, Schweißflecken, Heldenauflauf, Riesen auf Grün, großes Bohei. „La pelota no se mancha“, hat Diego Maradona bei seinem Abschiedsspiel gesagt: Der Ball wird nicht befleckt.
Zur großen Freude vieler bröckelt die Mär vom Fußball als letztem unpolitischen Flecken auf Erden seit geraumer Zeit auf das Schönste vor sich hin.
Etliche Putzplacken hat, um im Bild zu bleiben, der ehemalige deutsche Fußballnationalspieler Thomas Hitzlsperger von der wie für die Ewigkeit erstarrten Torwand geschlagen. Hitzlsperger, 41, war zwischen 2004 und 2010 im deutschen Nationalkader (52 Spiele), 2006 wurde er WM-Dritter und 2008 Vizeeuropameister. Er spielte als Profi für Aston Villa, Lazio Rom, West Ham United, den VfL Wolfsburg und den FC Everton, mit dem VfB Stuttgart wurde er in der Saison 2006/2007 Deutscher Meister. War da noch was? Da war noch was. Am 8. Jänner 2014 bekannte sich Hitzlsperger als erster deutscher Fußballprofil öffentlich zu seiner Homosexualität. Vor zehn Jahren wurde die heile Fußballwelt, was lange Zeit mit Verlogenheit und Versteckspiel synonym einherging, mit der gesellschaftlichen Realität konfrontiert.
„Mutproben“ (Kiepenheuer & Witsch) hat Hitzlsperger nun sein soeben erschienenes Erinnerungsbuch betitelt, das er gemeinsam mit dem „Süddeutsche Zeitung“-Reporter Holger Gertz verfasst hat. Es ist kein Heldenstück geworden, sondern der Beleg dafür, dass es immer wieder und unbedingt den Vergrößerungsspiegel braucht, um Dinge anzustoßen, politisches Denken zuzulassen.
Sport ist natürlich nie Mord, auch wenn es dem einstigen britischen Premierminister Winston Churchill gern so in den Mund gelegt wird, weil er im Alter eher zu Zigarren und Whiskey statt zu Fechten und Leichtathletik tendierte. Sport ist manchmal schlicht Wort, das uns sagt, wer und wie wir sind. Word up!