Brave Oscars
Die Überraschung des Abends kam ganz zum Schluss: „La La Land“ ist nicht der beste Film des Jahres! Als bester Film wurde „Moonlight“ von Barry Jenkins ausgezeichnet, obwohl die Altstars Warren Beatty und Faye Dunaway zuerst den Favoriten „La La Land“ ausgerufen hatten. Die vermeintlichen Gewinner standen bereits auf der Bühne, als der Fauxpas richtiggestellt wurde.
Es hat sich also doch gelohnt, bis zum Schluss durchzuhalten. Kein Scherz, sondern eine peinliche Panne: Jemand hatte Warren Beatty einen falschen Umschlag gereicht, darin lag noch der Zettel für die beste Hauptdarstellerin: Emma Stone („La La Land“). Was da hinter den Kulissen los war, möchte man gerne wissen. Falsches Filmteam auf der Bühne (im Bild: "La La Land"-Produzent Jordan Horowitz mit der richtigen Karte), ein verdutzter Laudator, ein Moderator, der schnell ein paar zotige Witze raushaut: Vom Zauber einer Oscar-Nacht war nicht mehr viel übrig.
Davor war die 89. Oscar-Verleihung nur mäßig spannend gewesen. Süßigkeiten fielen von der Decke (Moderator Jimmy Kimmel ließ Donuts regnen), und ein paar LA-Touristen erlebten die Überraschung ihres Lebens: Eine kleine Gruppe von Besuchern stand plötzlich mitten im Saal des Dolby Theatre – vor versammelter Hollywood-Prominenz.
Noch wach?
Gastgeber Jimmy Kimmel, der die Oscar-Verleihung zum ersten Mal moderierte, gab sich durchaus Mühe, den umstrittenen Präsidenten Donald Trump von der ersten Minute an zu provozieren – ironische Spitzen gegen Meryl Streep („uninspirierend und überbewertet“) und Mel Gibson (der einzig wahre „Braveheart“) inklusive. Dass sich Trump auch nach über drei Stunden nicht zu einem Tweet gegen das liberale Hollywood hinreißen ließ, dürfte dem Late-Night-Talker Kimmel den Abend ein wenig vermasselt haben. Er schrieb den US-Präsidenten kurzerhand selbst auf Twitter an: „Hey @realDonaldTrump, noch wach?“
Wer ernsthaft erwartet hatte, dass die Oscar-Verleihung zu einem kollektiven Aufschrei gegen Trump würde, hat wahrscheinlich die 88 Jahre davor verpasst. Eines ist auch 2017 klar: Die Branche kommt vor allem zusammen, um sich selbst zu feiern. Ausnahmen (Marlon Brando für amerikanische Ureinwohner, Michael Moore gegen George W. Bush) bestätigen nur die Regel.
Schuld, Vergebung, Würde und Moral
Immerhin ließ der iranische Regisseur Asghar Farhadi, der den Auslandsoscar für „The Salesman“ gewann, einen Protestbrief gegen Trumps „muslim ban“ verlesen. Farhadi hatte bereits Wochen vor der Verleihung angekündigt, aus Protest der Veranstaltung fernzubleiben. Die Auszeichnung für Farhadis Drama war ein kleines politisches Statement. „The Salesman“ erzählt von einem Ehepaar, das nach einem brutalen Überfall nicht die Polizei einschaltet, sondern Selbstjustiz übt. Es geht um Schuld, Vergebung, Würde und Moral. Für Farhadi ist es nach „Nader und Simin – Eine Trennung“ (2012) bereits der zweite Oscar.
„The Salesman“ ist eine gute Wahl, vielleicht aber nicht die beste. Die deutsch-österreichische Produktion „Toni Erdmann“ mit Peter Simonischek und Sandra Hüller, fabelhaft in Szene gesetzt von der Berliner Filmemacherin Maren Ade, ging leer aus. Hollywood plant jedoch ein Remake – mit Jack Nicholson in der Hauptrolle.
Schwarze Darsteller dürfen wieder jubeln.
Dass die Traumfabrik dazulernen kann, beweisen die Folgen der Vorjahreskontroverse #OscarsSoWhite. 2017 wurden mehr schwarze Künstler als je zuvor nominiert. Mit Viola Davis („Fences“) und Mahershala Ali ( „Moonlight“) gewannen zwei schwarze Schauspieler in der Kategorie der besten Nebendarsteller. „Moonlight“, der am Ende wirklich beste Film des Jahres, erzählt die Geschichte eines jungen schwulen Afroamerikaners, der in den 1980er-Jahren in dem von Armut und Drogen gebeutelten Viertel Liberty City in Miami aufwächst.
Die Preise für die beste Hauptdarstellerin und den besten Hauptdarsteller gingen an Emma Stone, für ihre Darstellung in dem Filmmusical „La La Land“ (insgesamt sechs Oscars) und an Casey Affleck für „Manchester by the Sea“ (zwei Oscars). Da konnte die Academy heuer nicht viel falsch machen.