Albertina reloaded: Gleis folgt Schröder
Zum zweiten Mal innerhalb von sechs Tagen stellte Kunststaatssekretärin Andrea Mayer am vergangenen Mittwochvormittag eine museumspolitische Weiche. Nach der Neubesetzung des Kunsthistorischen Museums (KHM) durch Jonathan Fine, der dort – nach Stationen in Berlin und am Wiener Weltmuseum – ab 2025 walten wird, präsentierte Mayer nun auch den designierten Nachfolger des seit 1999 amtierenden Albertina-Kommandanten Klaus Albrecht Schröder. Dessen Amt wird der deutsche Kunsthistoriker Ralph Gleis, derzeit Direktor der Alten Nationalgalerie in Berlin, ebenfalls ab Jänner 2025 übernehmen.
Und tatsächlich glichen die Bilder und Dankesworte der (und für die) Designierten einander auf frappierende Weise: Es galt, zwei Ausstellungsmacher mit starkem Wien-Bezug willkommen zu heißen, sie als „Topmanager und Kommunikationsprofis“ zu loben, zudem der Vorgängerin (KHM-Chefin Sabine Haag) und dem Vorgänger (Schröder) mit Nachdruck und Zucker Rosen zu streuen. Fine und Gleis, zwei kultivierte Herren mittleren Alters, distinguiertes Auftreten, unaufdringliches Flair, farblich gedämpfte Maßanzüge, sollen also die internationale Strahlkraft der beiden Institutionen konsolidieren und über möglichst publikumswirksame Ausstellungsprogramme auch in ökonomische Kraftwerke, also bare Münze verwandeln.
Gleis, 49, dessen Forschungsschwerpunkt auf der Kunst des 19. und frühen 20. Jahrhunderts liegt, lebte zwischen 2009 und 2017 in der österreichischen Hauptstadt, gestaltete als Kurator im Wien Museum zentrale Ausstellungen, ehe er als Leiter der Alten Nationalgalerie nach Berlin-Mitte berufen wurde.
Kunst auf Papier
Für Gleis spricht, dass er das eigentliche Herzstück der Albertina, die legendäre grafische Sammlung, wieder deutlicher aktivieren und in aktuelle kuratorische Zusammenhänge bringen will. Ein „internationales Kompetenzzentrum für Kunst auf Papier“ wolle er, wie er bei seiner Vorstellung erklärte, etablieren; er verspricht eine „Neuorientierung“ der Albertina als Ausstellungshaus. Sie sei als Kunsthalle ebenso zu verstehen wie als Sammlungsschatz, den man für das 21. Jahrhundert aufbereiten werde. Um unbedingte nowness müsse man an einem Haus wie der Albertina bemüht sein.
So erfolgreich Schröders Ära als Generaldirektor der Albertina verlaufen ist (Mayer nannte dies sein „Lebenswerk“), so stiefmütterlich behandelte er die – vermeintlich weniger zugkräftigen – Grafikbestände, holte die berühmten Blätter (die es freilich auch sorgsam zu konservieren gilt) selten aus den Archiven. Insofern lag in Mayers Anmerkung, Gleis betrachte die Sammlungsbestände der Albertina als „Chance, nicht als Einschränkung“, wohl auch ein kleiner Seitenhieb auf Schröder.
Denn statt auf den filigranen Strich der Alten Meister zu setzen, modernisierte Schröder kraftstrotzend sein Haus, baute es für ein Millionenpublikum zur Zentrifuge populärer Retrospektiven namhafter internationaler Kunstschaffender aus. In seiner Konzentration auf Malerei trat er in direkte Konkurrenz mit KHM, Belvedere und dem Museum moderner Kunst, ohne große Scheu vor potenziellen (und faktischen) inhaltlichen Doppelungen. Mit Verve machte Schröder sein Haus sowie die vor drei Jahren am Karlsplatz eröffnete Dependance Albertina modern zu touristisch hochwirksamen Podien für mehrheitsfähige Blockbuster-Ausstellungen, favorisiertes Terrain: Klassische Moderne und Gegenwartskunst. Derzeit im Haupthaus zu sehen: Valie Export und Georg Baselitz, dazu die aus der Sammlung Batliner destillierte Dauerschau „Monet bis Picasso“.
„Ort für alle“
20 Bewerbungen lagen für die Direktion der Albertina vor, zehn Männer und 10 Frauen, sechs Personen wurden zu Hearings eingeladen, von der Findungskommission „uneingeschränkt empfohlen“ allerdings nur zwei. Aus diesem Kunstduell ging Ralph Gleis nun also siegreich hervor. Die Albertina müsse ein „Ort für alle“ sein, sagte er noch, „publikumsnahe Strategien“ seien zu entwerfen. Kooperationen sehe er diesbezüglich als Schlüssel, die internationale Vernetzung sei entscheidend. Und auch das seit 2016 geschlossene Essl Museum in Klosterneuburg könnte bald schon als dritter Standort des expandierenden Museumskomplexes wiedereröffnen. Eines wollte Gleis zum Abschluss jedenfalls betonen: „Sie werden weiter von der Albertina hören.“