"Die Gruppe" von Ja, Panik: 2 + 2 = 5
Der Musiker Andreas Spechtl, 37, schwarzes Hemd, müder Videokonferenzblick, sitzt in einem Hotelzimmer in Wien und gibt, dank Lockdown und Kontaktbeschränkung, Online-Interviews. Es geht um "Die Gruppe",das nach sieben langen Jahren nun vorliegende Comeback-Album. Obwohl Comeback angesichts der aus dem Burgenland stammenden, seit Langem in Berlin ansässigen Band ein großes Wort ist. So richtig weg waren Spechtl (Gesang), Stefan Pabst (Bass), Laura Landergott (Keyboards und Gitarre) und Sebastian Janata (Schlagzeug) eigentlich nie. "Wir waren so eng, wir haben zusammen gewohnt, zusammen gearbeitet,"sagt er heute über die Pause. "Es war ein Punkt erreicht, wo einfach klar war, wir können das jetzt noch ein oder zwei Platten lang so weitermachen, aber dann geht es vielleicht nicht gut aus."
Diese Gruppe vollzieht nun die Reinkarnation einer Band zum Kollektiv. Wie entsteht aus verstreuten Ideen und Vorstellungen am Ende doch ein gemeinsamer Stil? Spechtl erklärt es so: "Wir haben für das neue Album viel mit Synthesizerflächen gearbeitet und dann relativ frei über diese Soundlandschaften gespielt", fast wie im Free Jazz. Dieser kaum zu greifende Sound, frei changierend zwischen deutschen und englischen Signalworten, entstehe dann ohnehin von selbst. "Als Ja, Panik setzen wir uns in das enge Korsett einer Popband, versuchen aber, uns Übertritte zu leisten, für Überraschungen zu sorgen. "Die Freude am Spiel entstehe in der Brechung der Form. Neben Landergott, die erst nach den Aufnahmen zum letzten Album ("Libertatia", 2014) zur Band gestoßen ist, werden die neuen Songs durch das Saxofonspiel der Berliner Musikerin Rabea Erradi ergänzt. Im Fall von Ja, Panik ist 2+ 2 eben immer noch 5.
"The Cure to Capitalism is more Capitalism/And that's the real Capitalism" heißt es in einer zentralen Songzeile des neuen Albums. "Es hilft oft schon, die ungeschminkte Wahrheit zu sagen. Das hat etwas Tröstliches",meint Spechtl. Die Frage sei, wie man damit umgeht, dass man in einem selbstzerstörerischen System lebt, das zugleich auch Heilung verspricht, nur um einen wieder in das System einzugliedern, das einen krank macht. Bereits auf ihrem Meisterstück "DMD KIU LIDT" (2011) heißt es zu diesem ewigen Ja, Panik-Topos: "Denn das, was uns zerstört, will uns gleich schon reparieren."Die bittere Erkenntnis für Spechtl: Aus dem Hamsterrad gibt es kein Entkommen.
Ja, Panik: Die Gruppe (Bureau B)
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