Amazon-Serie „Them“: Weiß wie die Wand
„Somewhere Over the Rainbow“, diese amerikanischste aller Idyllenfantasien, färbt die ersten Bilder trügerisch entrückt. Denn anders als Judy Garland in dem Technicolor-Musical „The Wizard of Oz“ (1939), dem der Song entstammt, geraten Mr. und Mrs. Emory mit ihren Töchtern in ein alles andere als zauberhaftes Land: Als einzige afroamerikanische Familie beziehen sie in Compton, Los Angeles, ein Reihenhaus. Ihre Ankunft ruft die erregte Nachbarschaft auf den Plan: Eine Phalanx junger weißer Frauen, deren Mittel von Provokation bis zu offenem Mobbing reichen, beginnt sadistisch lächelnd das Haus zu belagern, als wäre es eine Theaterbühne, während die Männer dieser Stepford Wives über gewalttätigere Abschreckungsmethoden nachdenken.
Die Serie „Them“, deren erste Staffel ab sofort auf Amazon Prime zu besichtigen ist, greift in die Vollen, nutzt jedes sich bietende Horror- und Suspense-Klischee, bedient sich schamlos an den Filmen Jordan Peeles („Get Out“, „Us“) und den Schreckensbildern David Lynchs. Aber der Showrunner, Autor und Producer Little Marvin mischt seinen Eklektizismus mit retro-modernistischen Details (einem stilechten Vorspann etwa im Geist des Fifties-Titeldesigners Saul Bass) und einiger Erfindungslust. Subtilität ist seine Sache nicht, aber so ist das Wesen des populären (Real-)Psychohorrorfilms.
„Them“ führt die rassistischen Weltbilder im suburbanen Kalifornien anno 1953 vor wie eine Freakshow-Attraktion. Die Erzählung ist historisch grundiert: Im Rahmen der Great Migration zogen zwischen 1916 und 1970 Millionen schwarzer Menschen aus dem tiefen Süden in den Westen und den Nordosten der USA.
Der Horror des Rassismus wird in „Them“ externalisiert. Das Drama der psychisch vielfach beschädigten Familie ist schon der offensiven Inszenierung wegen zartbesaiteten Gemütern nicht rückhaltlos zu empfehlen. Denn die Familie sieht sich doppelt attackiert: Zum kontaminierten Außenraum kommt Übernatürlich-Traumatisches in den Korridoren und Kellerzonen des Eigenheims. Die Wunden klaffen grell: In einer Zeit der eskalierenden Rassismus-Debatten passt eine Serie wie „Them“ perfekt ins Bild einer durchdrehenden Gesellschaft. Es könnte so heiter sein, wenn die Lage nicht so ernst wäre.