André Heller

André Hellers "Spätes Leuchten"

André Heller feiert auf seinem neuen Album „Spätes Leuchten“ Tod und Teufel, Mutter und Marrakesch, Lachen und Leben.

Drucken

Schriftgröße

André Heller, der Mann mit den vielen Berufen, Passionen und Begabungen, hat nach Jahrzehnten ein neues Album eingespielt. In „Spätes Leuchten“ wird der Kontinent Heller etappenweise kartografiert, was bedeutet, dass der Sänger, Autor und Aktionist die uns allen bekannte Welt in kleinen Schritten weiter hellerisiert. Davon haben alle etwas. „Spätes Leuchten“ ist ein Alterswerk, wie man es sich wünscht: souverän, ausgereift, exzellent produziert (profil-Autor Robert Rotifer als Koproduzent und musikalischer Leiter), mit der bei Heller obligaten kräftigen Prise Selbstverliebtheit.

Der Titel beschreibt das Ziel von Hellers Reise zu seinen künstlerischen Wurzeln – der heute 72-jährige Wiener debütierte in den späten 1960er-Jahren als selbst ernannter Alleskönner mit der Kürdisziplin Chanson – recht gut: „Spätes Leuchten“ veranschaulicht einmal mehr, wie sehr Hellers Leben auf die endlosen Abenteuer des Denkens, Liebens, Kunstmachens ausgerichtet war und ist – und illustriert anschaulich seine mal milde, mal hoch dosierte Überzuckerung der Welt mit Bedeutungsschwere. „Welche Eleganz der Herr Tod besitzt“, singt Heller: „Aus Hornissen ist sein Gewand.“

16 Sprechgesang-Miniaturen

Hellers Stimme: älter geworden, nuancenreicher, kraftvoll wie je. Woran glaubt Heller? An sich selbst und an die Kunst, was auf „Spätes Leuchten“ manchmal auf dasselbe hinausläuft. Er ruft seiner mit 104 Jahren verstorbenen Mutter ein letztes Lebewohl hinterher („Mutter sagt: Scher mich zur Hölle“) und bekennt, dass ein Teufel im Elvis-Kostüm ihm seine Seele verkaufen wollte. Heller feiert seine hassgeliebte Heimatstadt („Wiener Judenkinder“) und seine Wahlheimat Marokko („Marrakesch“) – und spricht in „Papirossi“ die Einladung zum Tanz aus: „Ohne Lachen ist kein Leben / ohne Leben ist man tot. / Ohne die durchsungenen Nächte weiß man nichts vom Morgenrot. / Jede Stunde soll man feiern, / dankbar und voll Leidenschaft. Aus den sinnlichen ­Momenten / strömt für uns die größte Kraft.“ Viel schöner kann man einen Reim, der das Dasein an sich preist, nicht basteln. Hellers Bekenntnisse auf „Spätes Leuchten“ sind Plädoyers für das Hier und Jetzt, 16 Sprechgesang- Miniaturen mit tausend Wendungen und Kapriolen.

Dass Heller sein Leben und Werk hier bündig und hinlänglich beschrieben hätte, mag glauben, wer will. Nach dem Alterswerk ist vor dem Alterswerk.

Wolfgang Paterno

Wolfgang Paterno

ist seit 2005 profil-Redakteur.