Angewandte: Hintergründe zu Petra Schaper Rinkels Rücktritt
Arbeits- und Sozialgericht Wien, 10. Jänner 2025, kurz nach neun Uhr früh. In Saal drei findet die erste Tagsatzung in einer Causa statt, die an der Universität für angewandte Kunst seit Monaten nur hinter vorgehaltener Hand besprochen wird: Es geht um mögliche Unregelmäßigkeiten in jenem Wahlverfahren, das im Herbst 2022 zur Findung der Nachfolge des langjährigen Angewandten-Rektors Gerald Bast dienen sollte; die Innovationsforscherin Petra Schaper Rinkel ging aus diesem Prozess letztlich siegreich hervor, im Jänner 2023 wurde sie zur Rektorin gekürt.
Einer ihrer damaligen Mitbewerber wollte dies nicht auf sich beruhen lassen. Er erhob Einspruch. Im März 2024 konstatierte die Gleichbehandlungskommission im Bundeskanzleramt einen Diskriminierungsfall im Verfahren zur Wahl des Rektorats: Im Gutachten der Kommission hielt man fest, dass „die Erstellung eines Zweiervorschlags mit zwei Bewerberinnen“ durch den Senat eine „Diskriminierung beim beruflichen Aufstieg“ jenes Mitbewerbers darstelle – aufgrund seines Geschlechts. „Die Anstrengungen, die Erstellung eines Dreiervorschlags, der auch einen Bewerber inkludiert hätte, zu vermeiden“, so die Bundesgleichbehandlungskommission, ließen nur den Schluss zu, „dass das Geschlecht ein wesentliches Motiv für das Absehen von der Vorlage des gesetzlich vorgesehenen Dreiervorschlags an den Universitätsrat war.“
Im Rahmen eines gerichtlichen Schadenersatzverfahrens wird nun darüber zu entscheiden sein, ob der Vorwurf der Diskriminierung gerechtfertigt ist. Am Arbeitsgericht ist man an das Gutachten der Gleichbehandlungskommission nicht gebunden, aber es hat Gewicht. Der die Angewandte vertretende Anwalt stellte gleich eingangs „aus verfahrensökonomischen Gründen“ eine Kompensations- oder Vergleichszahlung in Aussicht, verweigerte interessanterweise aber jedes Schuldeingeständnis. Man wäre bereit zu zahlen für einen Missstand, den man gar nicht verursacht habe? Im April 2025 wird man sich vor Gericht wiedersehen.
Vertrauenskrise
An jenem 10. Jänner ahnt noch niemand, dass Petra Schaper Rinkel bereits zu der Überzeugung gelangt ist, dass es besser sei, die Reißleine zu ziehen, als per Senats-Misstrauensvotum ihres Amtes enthoben zu werden. Seit Mitte Dezember hatten sich Gerüchte gemehrt, dass Schaper Rinkel diese Vertrauenskrise als Rektorin nicht überstehen würde. Am vergangenen Montag beschloss sie nun, ihr Amt zurückzulegen. Damit kam sie einer Abberufung dem Vernehmen nach nur knapp zuvor. Seitens der Angewandten gab man lediglich bekannt, dass Schaper Rinkel „aufgrund unterschiedlicher Perspektiven hinsichtlich der strategischen Ausrichtung“ zurücktreten werde. Dass sich aber unter den Gründen für das Ende der Zusammenarbeit nicht nur universitätsstrategische Planungsvorstellungen finden, liegt auf der Hand.