Pop goes Wien
Dagobert Peche (1887–1923) und die Inthronisierung des Pop: Der Wiener Designer, gern als Enfant terrible der losen historischen Produktionsgemeinschaft Wiener Werkstätte (WW) bezeichnet, unterlief in etwas mehr als zehn Jahren manischen Schaffens lustvoll die ehernen WW-Regeln, opponierte munter gegen das Einfache, Angemessene, Elegante. Man kann Peche ein gewisses diabolisches Vergnügen am Formen- und Formelbruch jedenfalls nicht ganz absprechen, darauf deuten zahllose Exponate und Originalentwürfe hin, die ab heute in der Ausstellung „Peche Pop – Dagobert Peche und seine Spuren in der Gegenwart“ im Wiener Museum für angewandte Kunst (MAK, bis 11. Mai 2025) zu sehen sind. „Pop Goes the World“, alberte die kanadische Synthie-Band Men Without Hats vor knapp 40 Jahren herum. Dekaden zuvor machte Peche damit bereits ernst: Pop goes Wien.
Peche betrieb seine Arbeit als frei flottierendes Spiel von Ideen, Spintisierereien, Visionen, Variationen. Gern griff er ins Volle: Er experimentierte mit den unterschiedlichsten Materialien, verwendete für seine Zwecke Papier, Leder, Glas, Keramik, Holz, Silber, Stoff, Seide, Wolle, Messing, Porzellan, um nur einige zu nennen. Auf historischen Fotos in der MAK-Ausstellung ist zu sehen, wie Peche, dessen Arbeitstag mindestens 36 Stunden gehabt haben muss, Wohnräume in Wunderkammern voller Blüten und Blätter verwandelte. Zeremoniell wird hier das Träumerische, Verspielte gefeiert. Kein Wunder, dass Peches designter Christbaumschmuck die Form eines Blitzes mit Federbuschschweif hat, das Fantasiepferd aus schwarzem Velourstoff einer Giraffe mit Stummelbeinen ähnelt.
Viele heutige Modelabel könnten mit einem Gran von Peches Einfällen, diesem lebhaften Hin und Her zwischen Farbrausch und Schnörkelhaftigkeit, etliche Saisonen lang ihre Kollektionen bestreiten. Die MAK-Schau wird diesem Umstand insofern gerecht, als sie, zumeist in freier Assoziation, Peches Schaffen zeitgenössische Positionen gegenüberstellt: Philippe Starcks berühmte Zitronenpresse ist in der Ausstellung ebenso zu sehen wie eine Reihe von Vivienne-Westwood-Anzügen. Der Vergleich macht sicher: Peche war der unbedingte Modernist.