Es werde bunt: Doppelter Neubeginn an der Wiener Albertina
Am Anfang war die Welt ein Schattenspiel in Schwarzweiß. Von der Farbfotografie konnten die Pioniere der Lichtbildkunst, die Praktiker der Grauwertabstufungen, lange Zeit nur träumen. Die Wiener Albertina widmet ihre jüngste Ausstellung nun einer nur auf den ersten Blick nebensächlichen Frage: Wie kam die Farbe ins Foto? Ein Neubeginn für die Fotografie und die Albertina selbst: Der deutsche Kunsthistoriker Ralph Gleis, 51, folgt als neuer Generaldirektor auf Langzeit-Prinzipal Klaus Albrecht Schröder, der in 25 Jahren aus der betagten Graphischen Sammlung in der Wiener Innenstadt ein hochprofitables XXL-Museum von internationalem Ruf formte.
Gleis, der sich als „Museumsmanager und Ausstellungskurator“ versteht, sei gekommen, um zu gestalten, wie er am Mittwoch vergangener Woche bei der Antrittspressekonferenz betonte. Er will künftig verstärkt aus der Sammlung der Albertina schöpfen. Gerhard Richter und Albrecht Dürer treffen auf Tiefenspeicher-Trouvaillen.
Die Fotoschau „True Colors“ in der Albertina Modern am Wiener Karlsplatz (zu sehen bis 21. April 2025; Katalog „True Colors“, Hirmer Verlag) ist die erste Ausstellung unter Gleis’ Ägide. Sie zeigt aufs Eindrücklichste, wie lohnend es sein kann, scheinbar spitzfindigen Fragen auf den Grund zu gehen: Farbfotografie ist heute allgegenwärtig, das Wissen um ihre so ausgetüftelte wie faszinierende Entstehungsgeschichte dennoch wenig geläufig. Es gibt weitaus protziger angelegte Ausstellungen, die weniger über die Revolution des (Farb-)Sehens verraten als diese Schau, in der rund 100 Exponate zu betrachten sind – von den Anfängen 1849 bis ins Jahr 1955, als der unaufhaltsame Siegeszug der modernen analogen Farbfotografie eingeläutet wurde. Das Verlangen und die Sehnsucht nach Farbe in der Fotografie sind längst gestillt. Die Anfänge der Suche nach dem Bunt im Bild waren dagegen ein Abenteuer.