Literatur

Autorin Ilse Helbich: Langeweile kannte die 100-jährige Wienerin nie

"Ich habe kein idyllisches Bild vom Alter", sagte Ilse Helbich noch im Dezember, als profil sie besuchte. Nun ist die Autorin verstorben.

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Auf dünnen Beinen stöckelt Ilse Helbich durch ihre Döblinger Wohnung. Sie lässt sich langsam in einen Sessel sinken und beginnt zu erzählen. Es wird ein Novembernachmittag mit vielen Geschichten werden. Vor wenigen Wochen feierte Helbich, Österreichs wohl älteste Autorin, ihren 100. Geburtstag. Über die täglichen Abgründe des Alters spricht sie ungern. „Der Gleichgewichtssinn wackelt“, sagt Ilse Helbich, schmächtige Statur, türkisgrünes Kleid, silbergraues Haar. Sie lässt den Satz fallen, es gehe ihr ihren Lebensjahren entsprechend. „Wobei es 103-Jährige geben soll, die noch lesen können und gut hören. Ich kann leider nicht mehr lesen, weil ich fast blind bin.“ Sie trinkt Ingwertee mit Salz, ein Rezept ihres Schmerztherapeuten. Ilse Helbich ist eine Frau mit freundlich gedimmter Autorität, Witz und Esprit sind ihr nicht fremd. Ladylike, hätte man früher gesagt. „Ich sitze einfach da und lebe. Es herrscht völlige Stille, begleitet von ununterbrochener Kleinstbewegung.“

Abzweigungen und Umwege

Man spürt das Rastlose in ihr. Helbichs Lebensgeschichte kennt kein Muster. Es waren Jahrzehnte vieler Abzweigungen, Verästelungen und Umwege. Helbich wurde 1923 in eine Unternehmerfamilie geboren, machte eine Buchhandelslehre, heiratete einen Wiener Rechtsanwalt, bekam fünf Kinder. Als „Nebenerwerb“ schrieb sie Drehbücher und eine Kolumne in der Tageszeitung „Die Presse“, später Features für das Ö1-Radiofeuilleton „Diagonal“. Nach ihrer Trennung nach 30 Ehejahren nahm sie an Friedensmärschen teil und beteiligte sich an der Besetzung der Hainburger Au. 1985 erwarb Helbich die „Alte Post“, einen Dreikanthof im niederösterreichischen Schönberg am Kamp, der in ihren Büchern immer wieder eine Rolle spielen sollte. 2003 veröffentlichte sie mit 80 Jahren ihr erstes Buch, den autobiografischen Roman „Schwalbenschrift“.

Wolfgang Paterno

Wolfgang Paterno

ist seit 2005 profil-Redakteur.