Autorin Lydia Haider: Skalpiert und gepfählt
Es gibt Tage, an denen es hier wie in einem Büro zugeht. An anderen wird über optimale Methoden des Meuchelns gebrütet. Die Schriftstellerin Lydia Haider arbeitet seit Februar als Hausautorin am Wiener Volkstheater. Ihr Arbeitsplatz ist das sogenannte „Führerzimmer“ im ersten Stock, 1938 für einen geplanten Besuch Hitlers eingerichtet, eine holzvertäfelte Dunkelkammer in Braun. An zusammengeschobenen Furnierholztischen mit angebrochenen Schokoladentafeln und „Wilhelm Tell“-Reclam-Heftchen sitzen Laura, Katharina und Hanna vor ihren Laptops. Haiders Assistentinnen tippen die Notizbücher der Autorin und Dramatikerin ab.
Haider, 1985 in der Nähe von Mauthausen geboren, schreibt viel und gern, meist mit Wucht und ziemlich solitärer Stimme, oft auch lange Sätze. In ihrem Erzähldebüt „Kongregation“ (2015) findet sich ein Satz, der ohne Punkt über 54 Seiten läuft. Im Folgeroman „rotten“ (2016) beißen Gaststättenbesitzer im Schatten eines ehemaligen Konzentrationslagers unter bizarren Begleitumständen ins Gras. Der Tod, ein blutiger Witz. Zuweilen erzählen die Titel ihrer Texte bündig den Inhalt: „Wahrlich fuck you du Sau, bist du komplett zugeschissen in deinem Leib drin oder: Zehrung Reiser Rosi“ (2018).
Es zetern und geifern darin die Jedermänner und Jederfrauen, es wuchern absonderliche Geschichten ohne Anfang und Ende, eine Bruchstückprosa abwegiger Gedankensprünge als überwiegend heitere Angelegenheit. Auszug aus „Wahrlich fuck you“: „So Leute wie ihr das seid, die fressen alles, was sie kriegen, denn so seid ihr gemacht und kennt nichts anderes und daher seid ihr auch so und werdet nicht anders, ihr Sauen, euer Leben ist einzig aufs Fressen ausgelegt, und wie ihr es dann tut und das Kauwerkzeug hochfahrt auf ein Niveau, als wäre es das letzte Mahl, genau wie eben jetzt, und eure Schädel tief hineinsteckt in das Zehrungsfleisch, den Semmelschmarrn, in euren Leichenschmaus.“ Schimpfwörter klingen bei Haider manchmal wie Liebkosungen.
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