Wagners monumentaler „Ring“ als böse Soap: Wotan (Egils Silins) im preppy Tennisdress

Bayreuther Festspiele: Ring der Embryonen

Lustvoll-sarkastisches Unheil in Bayreuth: die überraschende „Ring“-Neudeutung des österreichischen Regisseurs Valentin Schwarz.

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Von Manuel Brug

Bei den Bayreuther Festspielen ereignet sich derzeit, mit zwei Jahren pandemischer Verspätung, die Neudeutung des „Rings des 
Nibelungen“ durch einen noch weitgehend unbekannten, 33 Jahre jungen österreichischen Regisseur. Valentin Schwarz pfeift auf Bekanntes, auf die üblichen Theatertricks und Wagners genialische Musikmanipulation. Bei ihm liegt alles Unglück in der Familie, einem miesen, mafiösen Oligarchen-Clan. Zwei verfeindete Brüder kämpfen gegeneinander, sie heißen Wotan und Alberich. 

Bereits in der Fruchtblase schlagen sie als Embryonen aufeinander ein, und auch am Ende schweben da zwei Föten – noch sind sie friedlich. Wie lange? Der Erlösungsschluss in Des-Dur ist das Zuckerl für die wundgeriebenen Gemüter der Wagnerianer angesichts vielerlei Zumutungen. Es hat nichts genützt: Der Buh-Sturm für Valentin Schwarz war hart und lang. Denn es gab keinen Ring und kein Gold. Die Wotan-Brut hat schlechte Gene. Kinder symbolisieren hier zwar die Macht und die Zukunft. Nie aber geht es in dieser sehr blonden Familie um sie als geliebte Personen, nur um ihren Stellenwert.

Dauernd sind in diesem „Ring“ Kinder dort, wo sie nicht hingehören. Rückblenden, Vorausdeutungen, eine sich über Jahrzehnte entwickelnde, konsequent heutige Optik: Schwarz ist ein Kind der Streaming-Ära, und er führt auch so Regie, mit Cliffhanger-Dramaturgie und Teasern – allerdings etwas zu vielen; im großen Haus sind weiter hinten die Details kaum erkennbar. Dieser neue „Ring“ läuft als Mini-Serie rasant, zynisch, bitterkomisch und oftmals überraschend ab. Es schadet auch nicht, als Vorbereitung die bitterschwarzen David-Schalko-Serien wie „Braunschlag“ oder „Altes Geld“ gesehen zu haben. Wenn der am Traunsee aufgewachsene Schwarz etwas nach Oberfranken bringt, dann ist es – „Bösterreich“.

Sängerisch blieb es durchwachsen, nur der niederösterreichische Siegfried (Andreas Schager) tenortrompetete gelassen. Für Wagner-Wonne sorgt Dirigent Cornelius Meister. Er zeigte zunächst Handwerk, wenig individuelles Aufblitzen. Das wechselte ab dem „Siegfried“ schlagartig. Endlich auf Betriebstemperatur gekommen, klang es aus dem mystischen Abgrund präsent und hell, auch machtvoll auftrumpfend. Der ideale Soundtrack zu der lustvoll sarkastischen, auch überraschenden, verstörenden und sogar berührenden Schwarz-Sichtweise. Pessimistischer endete in Bayreuth noch keine Tetralogie als diese Unheilsstudie, die sich über mehrere Generationen entfaltet.