"We are not alone. We are not mistakes": Ruben Gallego, James Alex, Ed McNulty und  JP Flexner

Beach Slang: „Punk Rock hat mein Leben gerettet“

Beach Slang: „Punk Rock hat mein Leben gerettet“

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Vor zwei Jahren ging James Alex seinem geregelten Job als Grafikdesigner nach und war dabei, von Philadelphia nach Kalifornien zu ziehen. Kurz zuvor hatte er noch eine Handvoll Lieder aufgenommen und auf eine kleine Platte gepackt. Vier Songs, zehn Minuten, selbst designtes Artwork. Damit wollt es Alex vorerst einmal gut sein lassen. Doch noch bevor er richtig bei seinem neuen Job an der Westküste angekommen war, machten sich seine Songs selbstständig und riefen in der alternativen Musikpresse und in Fankreisen ungeahnte Euphorie hervor. „Als ich das mitbekommen habe, war mir klar, dass ich wieder zurück muss und meiner Musik folgen will", erzählt Alex im Gespräch mit profil.

Mittlerweile führt die Reise den 41-Jährigen regelmäßig quer durch die USA und Europa und das im Herbst 2015 erschienene Debütalbum „The Things We Do To Find People Who Feel Like Us" begeisterte Medien von der „New York Times" bis zum „Rolling Stone". Stephan Wabl hat den Sänger und Gitarristen in Leipzig getroffen und mit ihm darüber gesprochen, warum er nie aufgeben hat, Musik ohne Ironie eine Befreiung ist und was seine Band mit Dennis Rodman gemeinsam hat.

profil: Du bist vor kurzem Vater geworden. Was sagst du deinem Sohn, wenn du wochenlang unterwegs bist? James Alex: Er ist erst neun Monate alt, also noch nicht allzu viel. Aber der Tag wird bald kommen und es wird hart werden, ihm erklären zu müssen, dass ich nicht bei ihm sein kann und auf Tour gehe. Aber ich werde ihm wohl sagen, dass ich unterwegs bin, um Rock 'n' Roll zu spielen. Weil es das ist, was in mir steckt. Seine Geburt hat mich noch ein Stück demütiger und mir klar gemacht, dass ich ihm zeigen möchte, dass es richtig ist, das zu tun, was sich für ihn gut anfühlt. Dass er sich nicht einreden lassen soll, für irgendetwas zu alt zu sein oder etwas anderes machen soll, außer seinem Herzen zu folgen.

profil: Zwischen dem Ende deiner letzten Band Weston und dem Beginn von Beach Slang sind über zehn Jahre vergangen. Warum hast du so lange gebraucht? Alex: Das wüsste ich selber gerne! Ich habe meine Dreißiger dazu verwendet, um meinen Platz zu finden. Ich habe Zeit gebraucht, um endgültig Vertrauen in mich und meine Musik zu finden. Am Ende sind die einzelnen Teile richtig zusammengefallen und ich wusste genau, wie Beach Slang klingen soll, was ich mit der Band transportieren will und wie das Artwork aussehen soll. Natürlich war auch Glück dabei, die richtigen Leute zur richtigen Zeit zu finden.

Die Chemie hat sofort gestimmt und Beach Slang war geboren.

profil: Wie ist das abgelaufen? Alex: Vor ein paar Jahren habe ich mit Weston beim Riot Fest eine Reunion-Show gespielt. Unser Schlagzeuger konnte aber nicht, deshalb habe ich JP gefragt, ob er einspringen kann (Anm.: JP Flexner, Beach Slangs Schlagzeuger). Er hat zugesagt und ich habe ihm auch ein paar neue Songs von mir vorgespielt. Ein paar Wochen nach dem Auftritt hat er mich angerufen und gesagt, er kriege diese Songs nicht mehr aus dem Kopf und ist der Meinung, dass sie ein Publikum verdient hätten. JP hat dann Ed (Anm: Ed McNulty, Beach Slangs Bassist) an Bord geholt. Die Chemie hat sofort gestimmt und Beach Slang war geboren.

profil: Hattest du in dieser Zeit nie Selbstzweifel? Alex: Doch, klar. Ich war und bin immer noch voller Selbstzweifel. Aber ich brenne für diese Musik, mache nichts lieber als Songs und Texte zu schreiben. Ich hatte daher gar keine andere Wahl als weiterzumachen. Natürlich habe ich mir Gedanken darüber gemacht, dass ich von Punk Rock wahrscheinlich nie richtig leben werde können. Aber ich habe mir nie gesagt, dass es an der Zeit ist, diese Jugendträume aufzugeben. Dafür macht mich das alles viel zu glücklich. Wenn ich keine Lieder schreibe oder spiele, werde ich sehr unausgeglichen. Es bleibt mir also gar nichts anderes übrig.

profil: Die Reaktionen auf euer Debütalbum waren sehr euphorisch. Deine Solo-Performance auf NPR Music hat mich sehr beeindruckt und ich dachte mir danach: Wow, ich möchte ein besserer Mensch werden. Warum trifft eure Musik derart ins Herz? Alex: Als ich aufgewachsen bin, hatte ich das Gefühl, nicht wirklich dazu zu gehören, keinen Platz zu haben und habe mich dafür immer ein wenig geschämt. Über die Jahre und dank der Musik habe ich dieses Gefühl zur Seite geschoben und laut und deutlich klar gemacht: Hey, wir zählen! Ich glaube, dadurch habe ich Menschen, die sich ebenfalls als Außenseiter fühlen, eine Stimme gegeben. Die Leute, die zu unseren Shows kommen und unsere Musik hören, merken, dass es keinen Grund gibt, sich zu schämen. Sondern ganz im Gegenteil, dass die Fähigkeit, offen und ehrlich mit seinem Leben, seinen Kämpfen, Niederlagen und Triumphen umzugehen, etwas sehr befreiendes und ermunterndes ist.

Beach Slang - Punk or Lust, Conne Island, Leipzig

profil: Dafür braucht man Mut. Alex: Ja, sicherlich. Das Leben ist nicht immer einfach. Aber ich habe über die Jahre gelernt, mit Rückschlägen umzugehen. Mehr noch: Ich habe gelernt, dass die schönen Seiten wiederkommen. Klar, du bist schon ein paar Mal hingefallen. Aber wichtiger ist, dass du dich jedesmal wieder zurückgekämpft hast. Auf diesen Aspekt möchte ich meine Musik fokussieren. Ich habe mich entschieden, dem Leben und Menschen mit Liebenswürdigkeit, Offenheit und Ehrlichkeit zu begegnen anstatt mit Zynismus und Wut. Natürlich funktioniert das nicht immer, aber es bewahrt mich davor, dass diese Zustände mich bestimmen.

profil: Apropos Zynismus. Weston war immer eine sehr humorvolle, nahezu sarkastische Band - auch in den Liedern. Beach Slang hat auf der Bühne ebenfalls viel Spaß, die Musik ist aber verletzlich und versteckt sich nicht hinter Humor. Wie hat sich das entwickelt? Alex: Viele Menschen halten sich aus Selbstschutz zurück oder öffnen sich nicht, weil sie Angst haben, wie sie von anderen wahrgenommen werden. Mir ging es genauso. Mir ist allerdings klar geworden, dass ich das nicht mehr möchte und Ironie für mich nicht das Mittel ist, um an die Leute heranzukommen, die ich erreichen möchte. Ich wollte, dass meine Musik mutiger ist und sich nicht schämt für das, was sie ist. Ich habe meine Zeit dafür gebraucht, am Ende habe ich mich jedoch darauf eingelassen und diesen Vorhang der Ironie und des Selbstschutzes heruntergerissen. Denn es ist okay, nicht perfekt zu sein und Fehler zu machen. Es gibt Tage, da geht es mir gut und dann gibt es Tage, da bin ich ziemlich am Boden. Aber es geht uns allen so.

Ich brauche das Gefühl, nicht aufzugeben und dass es weitergeht.

profil: Interessierst du dich für Sport? Alex: Nein, nicht so sehr.

profil: Ich verfolge die Philadelphia 76ers, das aktuell schlechteste Team in der NBA. Sie rackern fleißig, geben nicht auf, sind aber auch weit entfernt von Ruhm und Ehre. Welche Bedeutung hat Philadelphia für dich und deine Band? Alex: Eine sehr große. Philadelphia ist ein „Underdog Fighter" und war immer eine Arbeiterstadt. Die Menschen sind sich nicht zu gut, um zu schwitzen und sich den Arsch aufzureißen. Das hat etwas sehr Romantisches in dem ich mich wiederfinde. Gleichzeitig hat Philadelphia eine großartige Musikszene. Du kannst die Straße entlang gehen und wirst ständig Leute treffen, die Musik machen. Viele meiner Freunde sind in Bands und wenn du auf Konzerte gehst, sind immer Leute von anderen Bands dort. Man versteht sich als Kollektiv und unterstützt sich gegenseitig. Jeder macht natürlich seine eigene Musik, aber wenn jemand erfolgreich ist, belebt das die ganze Szene. Ich glaube, das spürt man momentan sehr stark bei all den Bands, die aus Philadelphia kommen.

profil: Noch ein NBA-Vergleich. Über Dennis Rodman sagte man in den 1990ern, er spiele Basketball, als ob er von etwas davonkommen möchte. Als ich euer Album gehört habe, zehn Songs in 27 Minuten, dachte ich mir: Hey, das klingt genau so. Alex: Da ist sicher etwas dran. Vor allem der Opener „Throwaways" zieht gleich in diese Richtung. Ich mag diese romantische Idee, dass es immer besser wird. Ich möchte niemals das Gefühl haben, ich könnte an irgendeinem Höhepunkt angelangt sein. Ich brauche das Gefühl, nicht aufzugeben und dass es weitergeht. Weil ich fest daran glaube, dass es sehr viel Gutes zu entdecken gibt. Es gibt Phasen im Leben, da denke ich mir: Warum das Ganze? Und dann gibt es wieder Phasen, in denen ich mir wünsche, ich könnte ewig leben. Zum Glück erlebe ich momentan gerade so eine Phase.

Leere Häuser, besprühte Wände: Beach-Slang-Tourposter im Leipziger Stadtteil Reudnitz

profil: Beach Slang ist keine politische Band. Aber verfolgst du die Politik in den USA? Alex: Ja, klar.

profil: Wie siehst du die Kampagnen zur nächsten Präsidentschaftswahl? Alex: Ich hoffe sehr, dass Bernie Sanders es schafft. Mein Umfeld und ich träumen ein wenig davon, wie wunderbar es wäre, wenn Sanders Präsident und Elizabeth Warren Vize-Präsidentin werden würden. Sanders ist eine rare Spezies, da er tatsächlich ein ehrlicher Politiker ist. Ich habe seinen Weg sehr genau verfolgt, und er ist immer eingestanden für das, was er versprochen hat. Das zeigt seine Bilanz der letzten 30 Jahre. Wir haben sogar einen Song zu einer Sanders-Compilation beigesteuert. Ich fand auch Obama toll. Ich glaube, bei Obama war es überhaupt das erste Mal, dass ich wählen war, weil ich im Vergleich zu früheren Wahlen wirklich an ihn geglaubt habe. Die USA sind ein cooles Land, ich habe mein ganzes Leben hier verbracht. Aber Sanders ist ein neuer Wind, er denkt nicht in nationalen Grenzen, sondern ist ein Weltbürger. Ich glaube stark daran, dass wir mit ihm eine bessere Politik in die Welt tragen können.

profil: Zum Abschluss: Was hat Punk Rock für dich getan? Alex: Punk Rock hat mein Leben gerettet. Ohne Zweifel. Punk Rock hat mir einen Platz und bedingungslose Liebe gegeben. Genau das möchte ich mit meiner Musik weitergeben.

James Alex (41) hat mit Beach Slang zwei EPs („Who Would Ever Want Anything So Broken" und „Cheap Thrills On A Dead End Street") sowie im Herbst 2015 das Debütalbum „The Things We Do To Find People Like Us" bei Polyvinyl Records veröffentlicht. Alex' Vorgänger Band Weston brachte zwischen 1994 und 2000 sechs Studioalbum heraus. Alex lebt mit seiner Familie in Philadelphia.

Beach Slang spielt am 9. Februar im B72 in Wien.