Berlinale: Siegfried A. Fruhaufs Kurzfilm "Vintage Print"
Kino kann Ihre Gesundheit gefährden. Eine dringende "Epilepsiewarnung“ wurde von der Festivalleitung in Berlin für den Film "Vintage Print“ ausgegeben - und natürlich stammt die (in diesem Sinne) riskanteste Produktion aus Österreich. Der Grund für die Warnung liegt im heftigen Flackern der Bilder, im beschleunigten, lichtblitzenden Puls der Montage.
"Vintage Print“, als Teil des Kurzfilmwettbewerbs heuer Kandidat für einen Goldenen Bären, basiert auf einem Fotonegativ aus dem späten 19. Jahrhundert, das eine Wald- und Flusslandschaft zeigt. Er habe die alte Fotoplatte zufällig bei Freunden gefunden, unter deren Familienfotos, berichtet Regisseur Siegfried A. Fruhauf: Das überbelichtete Negativ habe er erst eine Weile studieren müssen, ehe ihm klar geworden sei, was der Fotograf da dokumentieren wollte - "das leichte Hochwasser dieses Baches nämlich. Die Idee habe ich weitergesponnen - und aus dem kleinen Malheur eine Naturgewalt gemacht, eine Art Naturkatastrophe, die über den Betrachter regelrecht hereinbrechen sollte.“
Ein infernalischer Trip zwischen Stillstand und Raserei, Bildtiefe und Bildoberflächen.
So setzt Fruhauf die Schwarzweißfotografie in Bewegung, lässt sie - akustisch begleitet von Grillenzirpen, Menschenstimmen und Helikopterrotoren - immer heftiger zucken und mutieren. "Vintage Print“ verfärbt sich, verschiebt sich schwindelerregend in die Abstraktion: Man meint irgendwann, eine Sonne im Fallout einer fiktiven nuklearen Detonation wahrzunehmen. Die Bildschichten beginnen einander zu überlagern, in Grün-, Gelb- und Rottönen zu schillern, scheinen schließlich rauschhaft die Grenzen der Leinwand zu sprengen. Dabei erzählt die 13-minütige Arbeit, ebenso filigran wie brachial, auch eine Materialgeschichte und dringt tief in die Fotografie- und Filmgeschichte ein, assoziiert unterwegs auch Hologramm und Röntgenbild, absolviert einen infernalischen Trip zwischen Stillstand und Raserei, Bildtiefe und Bildoberflächen.
Fruhauf, 39, arbeitet seit den späten 1990er-Jahren an einer sehr speziellen Art des Kinos, die den analogen Film ebenso berücksichtigt wie seine digitale Transformation. Der gebürtige Oberösterreicher sagt, dass er "eigentlich wie ein Schnapsbrenner“ vorgehe: "Ich versuche, filmische Essenzen zu destillieren, möglichst hohe Konzentrate zu erzeugen.“
Grundsätzlich liebe er es, "wenn das Kino physisch wird, eine Intensität entwickelt, die einen emotional erwischt“. Sein "Vintage Print“ sei - unter Verwendung eines alten Flachbildscanners und einer Reihe digitaler Amateurkameras ("Jede Maschine, die man benützt, erfindet selbst etwas dazu“) - fast vollständig aus der Fotovorlage entwickelt worden: "Nur die Kratzer und Krater am Ende meines Films entstammen den Oberflächen zerstörten 35mm-Schwarzfilms, den ich durch falsche, bewusst lieblose Lagerung gewonnen habe.“
Die Ergebnisse sind beeindruckend: "Vintage Print“ ist ein ästhetischer Fremdkörper im Berlinale-Programm, ein unknown visual object, das aus der kontrollierten Sprengung des alten Kinos eine irrlichternde neue Vision entstehen lässt.