Best of Woody
Anfangs sah alles ganz vielversprechend aus. Als der lustigste Mann der New Yorker Sixties-Society ins Kinogeschäft einstieg, war Woody Allens Experimentierfreude noch intakt: Mit einer Extraportion Irrwitz debütierte Allen; erst synchronisierte er einen japanischen B-Actionfilm absurd neu ("What's Up, Tiger Lily?", 1966), um drei Jahre später, mit der Pseudo-Bankräuber-Doku "Take the Money and Run", sein Loser- Image zu zementieren. In den 1970er-Jahren emanzipierte er sich Schritt für Schritt vom Pointenzwang, erweiterte seinen Spielraum, machte seine Komik tiefgründiger. Mit "Annie Hall" (deutscher Titel: "Der Stadtneurotiker") gelang ihm 1977 sein erster Klassiker, mit "Manhattan" zwei Jahre danach, erneut mit seiner damaligen Lebensgefährtin Diane Keaton, der nächste.
Für das Projekt "Zelig", das Allen 1983 vorlegte, hatte er sich noch einmal die dokumentarische Form vorgenommen, aber diesmal weit ambitionierter als in "Take the Money and Run":
Als sein eigener Hauptdarsteller kopierte er seine Figur in historische Originaldokumente und Zusammenhänge, um vom Wesen des Opportunismus zu erzählen. Leonard Zelig, das menschliche Chamäleon, passt sich allen Umständen und sozialen Kontexten so perfekt an, dass er kaum noch wahrnehmbar ist. "Zelig" imitiert virtuos in schwarzweißen Nachrichtenbildern, die gegen kommentierende Interviews in Farbe geschnitten wurden - die konventionelle Form dokumentarischer Geschichtsanalysen.
Die formale Courage von "Zelig" erreichte Allen nie wieder; sehenswerte Filme gelangen ihm dennoch alle paar Jahre: Seine Gesellschaftsstudie "Verbrechen und andere Kleinigkeiten" überraschte 1989 mit sicherer Balance zwischen Komischem und Mörderischem; "Harry außer sich" (im Original: "Deconstructing Harry") lieferte 1997 noch einmal experimentelle Pointen wie den unerklärlichen Fluch, als Mensch plötzlich unscharf, gleichsam konturlos aufzutreten.
Mit der britischen Salontragödie "Match Point", einer moralischen Erzählung von Liebe, Lüge, Geld und Mord, konnte Allen 2005 noch einmal reüssieren: mit einem Film, der nicht in New York, sondern in Londons Upperclass angesiedelt war -und nicht nur ohne den Schauspieler Allen, sondern auch ohne dessen vertraute, ein wenig nachlässige Filmsprache auskam: "Match Point" punktete mit hochklassigem Schauspiel (Scarlett Johansson, Jonathan Rhys Meyers, Emily Mortimer), einer genuin literarischen Erzählung, mit lebendigen, plastischen Figuren - mit einem bei allem Geistreichtum schlicht ernsten Film. Erstaunlich stilsicher erzählt der Regisseur in "Match Point" von einem jungen Aufsteiger (Rhys Meyers), der in eine britische Familie einheiratet; seine charakterlichen Defizite und die heimliche Affäre mit einer selbstbewussten Frau (Johansson) münden in eine Gewalttat. Tatsächlich war Woody Allen als Regisseur und Autor in "Match Point" kaum wiederzuerkennen: das Schauspiel punktgenau, die Inszenierung konzentriert.