Interview

Bestsellerautor Trojanow: „Kritische Menschen werden die Macht infrage stellen, solange es sie gibt“

Ilija Trojanow hat ein Buch zur Stunde geschrieben. Ein Gespräch mit dem Bestsellerautor über Machtrausch und Manipulation, über Trump und Putin als Krämer und Kleingeister.

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Die großen Fragen zu Politik und Gesellschaft treiben Ilija Trojanow („Der Weltensammler“) seit je um. In seinem neuen Buch nimmt sich der Schriftsteller, 1965 in Bulgarien geboren und zwischen seinen vielen Reisen in Wien-Alsergrund wohnhaft, nun der Entstehung und Auswirkung von Macht und Tyrannei an – auf dem poetischen Umweg einer Übersetzung und Nacherzählung. „Das Buch der Macht“ erscheint am 12. März und ist die erstmalige Übertragung eines 1897 entstandenen Klassikers der bulgarischen Literatur, im Original als Großgedicht verfasst vom Lehrer und Rechtsanwalt Stojan Michailowski (1856–1927). In 15 Tagen und Nächten setzt darin der kränkliche Wesir des Osmanischen Reiches seinem Neffen und Nachfolger die Kalküle des Herrschens auseinander. Trojanow, von dem zuletzt der Roman „Tausend und ein Morgen“ erschienen ist, flankiert Michailowskis Erzählung mit einem Stimmenchor bedeutender Theoretiker zu Alleinherrschaft und Diktatur. „Das Buch der Macht“ ist eine lange, faszinierende, poetische Reise in die Feinmechanik unumschränkten Herrschens.  

Herr Trojanow, wären folgende Schritte empfehlenswert, um ein Diktator zu werden? Zerschmettere deine Rivalen; herrsche durch Terror; spalte, wo du nur kannst. Schließlich: Kontrolliere die Wahrheit?

Ilija Trojanow

Die ersten beiden Maßnahmen sind nur nötig, wenn die Letzteren nicht ausreichen. Wir neigen dazu, Zwang eher wahrzunehmen, wenn er sich mit Gewalt paart. Die sogenannte systematische Gewalt übersehen wir oft aus Gründen der Gewöhnung. Wer herrschen will, muss seine Gegner schwächen und seine Sicht der Dinge durchsetzen. Ohne unnötige Gewalt zu reüssieren: Das ist die Meisterprüfung.

Welche Voraussetzungen wären darüber hinaus unabdingbar, die absolute Macht zu erringen?

Trojanow

Absolute Macht existiert in der Realität nicht, wird aber erstrebt. Darin liegt ein essenzielles Problem. Je ungebremster die Macht agieren kann, desto mehr fühlt sie sich bedroht. Das ist eine Spirale, die kein Ende findet. Daher ist Herrschaft mehr als Macht – und zugleich weniger. Mehr hinsichtlich der Möglichkeiten, die eigenen Interessen durchzusetzen. Weniger jedoch, weil die Vielschichtigkeit der wechselseitigen Beziehungen in einer Gesellschaft auf eine einfache Gleichung reduziert wird: Gehorsam = Stabilität. Wenn die Herrschenden aber nichts außer Gehorsam erfahren, schrumpft ihre vermeintliche Allmacht. Wenn die Macht herrschaftlich auftreten muss, ist sie schon geschwächt. Wird sie infrage gestellt, beginnt bereits ihr Zerfall, unabhängig davon, wie sehr sie sich aufplustert.

Wolfgang Paterno

Wolfgang Paterno

ist seit 2005 profil-Redakteur.