Proben im Wiener Volkstheater für ein Stock von Elfriede Jelinek.
Blau-schwarze Verhandlungsprotokolle

Kapitel Kunst und Kultur: Eine „Österreich-Quote“ für Ö3

Ob ein Bekenntnis zu Gipfelkreuzen oder Maßnahmen für ein positives „Österreich-Bewusstsein“, in den Verhandlungsprotokollen von FPÖ und ÖVP ist Kunst und Kultur vor allem rot-weiß-rot. Ein Holocaust-Museum gehört da für die Freiheitlichen allerdings nicht dazu.
Eva  Sager

Von Eva Sager

Drucken

Schriftgröße

Voltaire soll gesagt haben: „Alle Künste sind gut, ausgenommen die langweilige Kunst.“ Liest man das Protokoll der Unterverhandlungsgruppen von FPÖ und ÖVP könnte man denken: „Alle Künste sind gut, ausgenommen stehen unter Gesinnungsverdacht oder kommen nicht aus Österreich.“ Gerade einmal vier Seiten – in einem 223-seitigen Dokument wohlgemerkt – widmeten die blau-schwarzen Regierungsverhandler der Kultur.

Wundern muss einen das nicht. Im FPÖ-Wahlprogramm für die Nationalratswahl 2024 ist das das Wort „Kunst“ nur neun Mal vorgekommen. War darin von „Kultur“ die Rede, ging es primär um den Erhalt einer „christlich-abendländischen“ Identität. Das hat sich offenbar auch in den Regierungsverhandlungen niedergeschlagen. Im Verhandlungsprotokoll zwischen FPÖ und ÖVP, das profil vorliegt, konzentriert man sich in Sachen Kunst und Kultur vor allem auf eine rot-weiß-rote Identität – wie die genau aussehen soll, ist in vielen Punkten schon klar.

 Blau-schwarze Kultur ist österreichisch

„Kunst und Kultur sind zentrale Grundlagen unserer österreichischen Identität und tragen zum Bild und Ansehen Österreichs in der Welt bei“, heißt es gleich zu Beginn. Dementsprechend gelte es, die Identität Österreichs zu „stärken“. Dafür benötige man unter anderem „fördernde Maßnahmen für ein positives ‚Österreich-Bewusstsein‘, etwa durch nationale Symbole, Gedenkfeiern und den Außenauftritt der Republik“. Außerdem wolle man „langfristige Leitbilder, Konzepte und Entwicklungspläne“ für das Kulturland Österreich definieren.

Das Motto einer blau-schwarzen Regierung dürfte also lauten: Österreich zuerst. So einigte man sich auf eine Absicherung von kulturellen Institutionen wie den Wiener Sängerknaben und den Wiener Chormädchen oder dem ORF Radio-Symphonieorchesters Wien (RSO). Außerdem wolle man „österreichischer Kunst und Kultur“ einen größeren Stellenwert in den öffentlich-rechtlichen Medien einräumen und eine „Österreich-Quote“ prüfen, durch die „zu reichweitenstarken Zeiten, insbesondere auf Ö3“, speziell österreichische Kunstschaffende und Produktionen gefördert werden sollen.

Neu ist das alles nicht. Der ehemalige FPÖ-Chef und Vizekanzler Heinz-Christian Strache forderte schon 2018 in einer blauen WhatsApp-Gruppe: „Bitte auch dahinter sein, dass Andi Gabalier endlich auf Ö3 gespielt wird und bei seinen großen Konzerten - Ausverkauf von Stadien in Deutschland und Österreich - der ORF im Sinne des öffentlich-rechtlichen Bildungs- und Kulturauftrages auch darüber berichtet! Ist irre, dass der boykottiert wird!“ Vergangenes Jahr gelangten die Chat-Nachrichten im Zuge eines Untersuchungsausschusses an die Öffentlichkeit, profil berichtete.

Bewahren will man neben der österreichischen Kunst auch das österreichische „alpine Kulturerbe“. Eine blau-schwarze Regierung würde wohl die „bessere Absicherung alpiner Infrastruktur“ prüfen, also Almhütten, Gipfelkreuze, Bildstöcke.

Blau-schwarze Kultur bringt Geld

Ein Thema abseits der österreichischen Identitätspolitik: Die „wirtschaftliche Wertschöpfung“. Zum einen wolle man Kunst und Kultur „verstärkt als Standortfaktor“ erkennen und bessere Rahmenbedingungen „für privates Engagement“, sowohl im Kunst- und Kultursektor als auch in der Denkmalpflege schaffen. Zum anderen ginge es ans Evaluieren. In bundeseigenen Kultureinrichtungen will eine blau-schwarze Regierung „einfache Strukturen, klare Kompetenzen und weniger Bürokratie für die Kultureinrichtungen des Bundes“ schaffen. Auch bestehende Strukturen, Stichwort Bundesmuseen und Bundestheaterholding, wolle man in Anbetracht von Wirtschaftlichkeit und Effizienz genauer begutachten. 

Wenn Kulturschaffende von Effizienz hören, sind sie tendenziell alarmiert. Schließlich können selbst große Häuser nur mit Subventionen überleben – das macht sie auch angreifbar.

Blau-schwarze Kultur nervt nicht

Im blau-schwarzen Verhandlungsprotokoll liest man zwar den Satz: „Wir bekennen uns zur Freiheit der Kunst als tragende Säule unserer Gesellschaft. Dabei stärken wir die zeitgenössische Kunst und bewahren gleichzeitig unser kulturelles Erbe“. In Anbetracht so mancher FPÖ-Äußerung darf man daran allerdings zurecht zweifeln. In einer Presseaussendung formulierte der freiheitliche Kultursprecher und Nationalratsabgeordnete Thomas Spalt im Jänner 2024: „Für die Volkskultur, die Heimat- und Brauchtumspflege haben ÖVP und Grüne überhaupt nichts übrig. Es ist daher so notwendig, dass es auch im Kunst- und Kulturbereich zu einer politischen Wende mit einer FPÖ-geführten Bundesregierung und einem Volkskanzler Herbert Kickl kommt!“ Kulturschaffende, deren Werke der FPÖ in der Vergangenheit nicht passten, wurden immer wieder Ziel von medialen Angriffen, profil berichtete.

Erst im Jänner unterzeichneten 150 Künstlerinnen und Künstler, darunter Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek, die Schriftstellerinnen Monika Helfer und Eva Menasse, der Musiker Reinhold Bilgeri, die Schauspielerin Erika Pluhar und Cornelius Obonya, einen offenen Brief an die ÖVP und forderten das sofortige Ende der Koalitionsverhandlungen. Sie befürchten, dass die kulturelle Infrastruktur zerschlagen und auf gefällige Programme reduziert werden könnte.

Laut Verhandlungsprotokoll gibt es momentan noch keine Einigung, zukünftig ein österreichisches Holocaust-Museum zu errichten. Gefordert wird jenes von der ÖVP. Außerdem gibt es Uneinigkeiten bezüglich des „Haus der Geschichte Österreich“, ein Vorschlag zur „Evaluierung des inhaltlichen Konzepts sowie der geplanten Struktur“ liegt am Tisch. Rot angestrichen – also einen Dissens – gibt es zudem bei folgendem Satz: „Die Akademie der bildenden Künste wird mit der Universität für angewandte Kunst Wien zusammengelegt.“

Vergangene Woche hat die FPÖ erklärt, im Zuge einer blau-schwarzen Regierung die Kunst- und Kulturagenden ins Bundeskanzleramt zu Herbert Kickl verlegen zu wollen. Folgt man dem blauen Kulturbegriff, wird es dort dann wohl heißen: „Die Künste, die wir gut finden, sind gut.“

Eva  Sager

Eva Sager

seit November 2023 im Digitalteam. Schreibt über Kultur, Gesellschaft und Gegenwart.