Bogdan Roščić: Dissertation zu Adorno 1988 unter Plagiatsverdacht
Der designierte Staatsoperndirektor Bogdan Roščić (geplanter Antritt: 1. September 2020) dürfte beim Verfassen seiner Dissertation „Gesellschaftstheorie als Kritische Theorie des Subjekts – Zur Gesellschaftstheorie Th. W. Adornos“, die er 1988 an der Grund- und Integrativwissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien einreichte, von einer damals sechs Jahre älteren deutschen Dissertation abgekupfert haben.
1982 hatte der Deutsche Peter Decker, heute Publizist, an der Universität Bremen seine Doktorarbeit „Die Methodologie Kritischer Sinnsuche – Systembildende Konzeptionen Adornos im Lichte der philosophischen Tradition“ verfasst. profil liegen beide Arbeiten vor.
Eine Auswertung zeigt, dass Roščić für das erste Kapitel seiner insgesamt 114 Seiten umfassenden Dissertation ganze Passagen von Decker übernahm – und das wortwörtlich, ohne Decker als Quelle anzuführen (siehe die gelb unterlegten Textteile im Faksimile). Der Name Peter Decker wird in der gesamten Dissertation mit keinem einzigen Wort erwähnt.
Fünf der neun Seiten des ersten Kapitels („Einleitung“) wurden faktisch zur Gänze von Decker abgeschrieben (einschließlich der von Decker eingearbeiteten Literaturhinweise). Auch die im Original verwendete „Ich“-Form findet sich bei Roščić wieder. Der Salzburger Plagiatsprüfer Stefan Weber führt derzeit eine vertiefte Prüfung der Arbeit durch. Ein erstes Zwischenergebnis wurde der Universität Wien kürzlich übermittelt. Weber selbst wollte sich dazu nicht äußern.
In einer Stellungnahme gegenüber der Austria Presseagentur erklärte Roščić: „Ich kenne seit einigen Tagen den Vorwurf der fehlenden Zitierung einer Arbeit von Peter Decker in der Einleitung meiner Dissertation von 1988.“ Er, Roščić, habe Decker „vor 35 Jahren persönlich kennengelernt, mit ihm zu verschiedenen geisteswissenschaftlichen Themen gearbeitet und von ihm das Entscheidende über die Kritische Theorie gelernt. Seine Schrift ist eine der besten Auseinandersetzungen mit Adorno überhaupt.“ Zum konkreten Vorwurf betonte Roščić: „Die Einzelheiten der nun monierten Verwendung kann ich, auch wegen der knapp 30 Jahre Abstand, derzeit nicht rekonstruieren. Ich bin mit der Universität Wien hierzu in Kontakt, sie wird meine Arbeit der entsprechenden Prüfung unterziehen.“
Mehr zum Thema lesen Sie im kommenden profil 12/2017, das am 20.3. erscheint.