„Broad City“: Leben im Schlamasselland
Was tut man nicht alles, um noch schnell an Tickets für ein geheimes Lil-Wayne-Konzert zu kommen. Vielleicht ein spontanes Straßenkonzert spielen? Oder bei einem ekelhaften Typen nackt die Wohnung putzen? In „What a Wonderful World“, der ersten von insgesamt zehn Folgen der ersten „Broad City“-Staffel, wird schnell klar, dass das Leben in New York City kein leichtes ist.
Willkommen in Dystopia
Seit 2014 dürfen sich die ehemaligen Off-Theater-Schauspielerinnen Abbi Jacobson und Ilana Glazer auf dem US-Sender Comedy Central so richtig austoben. In „Broad City“, basierend auf der gleichnamigen Webserie, erklären sie ihren Kampf gegen Yuppies, Chauvinisten und dirty old men, nur um dem Chaos Leben ein ums andere Mal ein Schnippchen schlagen. Während sich Ilana (Ilana Glazer) als dauerbekiffte Chaotin durch den Alltag einer Dogsitterin quält, versucht sich die verantwortungsbewusstere Abbi (Abbi Jacobsons) als Buchillustratorin. Dass sich die verkannte Künstlerin in Wahrheit als Fitnessstudio-Putzfrau verdingt, ist noch die kleinste Katastrophe im nicht gerade katastrophenarmen Leben zwischen Großstadt-Nihilismus, Brachial-Feminismus und spitzzüngiger Gesellschaftskritik.
Die Lebensabschnittspartner werden bei „Broad City“ kurzerhand zu reinen Statisten degradiert
Die beiden BFFs machen eben genau das, was bisher reinen Männerfreundschaften vorbehalten war: sie sind vulgär, laut, versaut und unausstehbar, schlafen sich durch halb New York und zelebrieren jede noch so kleine Flatulenz als feierliches Großereignis. Die Lebensabschnittspartner und boyfriends werden bei „Broad City“ kurzerhand zu reinen Statisten degradiert. Abbi Jacobsons und Ilana Glazer drehen den Spieß eben nicht nur um, sondern machen auch sichtbar, wie das Männerfernsehen der letzten Jahrzehnte, Frauen im TV-Business nur nach Aussehen und Beischlafqualitäten beurteilt hat.
Lebe lieber ungewöhnlich
Das Faszinierende an „Broad City“ ist aber nicht nur der Hang zum Leben im Schlamasselland, sondern besitzt zudem die Gabe, ein Gefühl dafür zu vermitteln, wie Freundschaft in den Zehnerjahren nicht nur neu, sondern offen zelebriert wird. Abbi und Ilana tauschen via Skype-Konferenz nicht nur die intimsten Geheimnisse aus (und haben auch noch Sex dabei), man kauf ihnen auch ab, dass sie für einander bis ans Ende der Welt gehen würden. Und das Ende der Welt, das weiß man spätestens bei der dritten Folge der ersten Staffel, ist nicht Neuseeland oder die Wüste in Michael Endes „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“, sondern ein Postverteilerzentrum auf der unbewohnten North Brother Island in New York City.
„Broad City“ ist auch deshalb so ungeschönt schön und authentisch, da bei Abbi und Ilana (nicht zufällig wurden die realen Vornamen beibehalten) nicht nur Schauspiel und Realität, realer Mensch und Alter Ego verschmelzen, sondern die beiden Hauptdarstellerinnen auch als Serien-Showrunner fungieren: Von der Idee, dem Drehbuch bis zur Produktion wird nichts dem Zufall überlassen. So erscheint es nur folgerichtig, dass gerade die wunderbare TV-Tausendsasserin Amy Poehler („Parks & Recreation“) als Schirmherrin über die Serie wacht.
Dass die halbstündige Comedy-Serie um zwei New Yorker Twens nun auch in Österreich und Deutschland (ab 12. Juli auf Comedy Central) startet, kann als wahrer Glücksfall bezeichnet werden.