Bühne: Das Burgtheater braucht ab 2019 eine neue Leitung
Die Suche nach einer neuen Leitung für das Burgtheater schlägt branchenintern bereits Wellen, noch ehe geklärt ist, wer dafür überhaupt infrage käme. Doch es geht längst nicht mehr nur um Personalfragen. Grundsätzliches muss geklärt werden: Wozu brauchen wir Theater überhaupt noch? Für welches Publikum soll gespielt werden? Wie erreicht man junge Menschen? Muss die Bühnenkunst internationaler werden – oder aber verstärkt lokale Themen behandeln?
Durch die Neubesetzung der Wiener Staatsoper mit dem 52-jährigen Musikmanager Bogdan Roščić bewies Kulturminister Thomas Drozda (SPÖ), dass er für Überraschungen gut ist. Zaubert Drozda womöglich auch für die Burg, die ab 2019 frei wird, einen Quereinsteiger aus dem Hut? Muss die neue Leitung aus dem deutschsprachigen Raum kommen oder wäre auch eine Figur wie der heftig umstrittene belgische Museumskurator Chris Dercon, der ab Herbst die Berliner Volksbühne übernehmen wird, erwünscht?
Entscheidung "noch in diesem Jahr"
Während solche Fragen in der Branche bereits angeregt diskutiert werden, ist bislang erstaunlich wenig nach außen gedrungen. Das mag auch daran liegen, dass Drozda seine Entscheidungen gern im Alleingang trifft. Die Pressestelle des Kulturministers erklärt auf profil-Anfrage, über die Leitung des Burgtheaters werde „noch in diesem Jahr“ entschieden. Eine Ausschreibung der Burg vor der Sommerpause erscheint somit plausibel. Und Drozda will, wie bei der Staatsoper, aber anders als bei den meisten wichtigen Kulturbesetzungen, auf eine Findungskommission oder beratende Jury verzichten.
Karin Bergmann, die seit März 2014 als erste Frau an der Spitze des Burgtheaters steht, hat das finanziell schwer angeschlagene Haus nach der Entlassung von Matthias Hartmann dank eines strengen Sparprogramms wieder auf Kurs gebracht. Dem Vernehmen nach kann sie sich durchaus vorstellen, ihre Amtszeit um zwei Jahre zu verlängern. Offiziell meint Bergmann gegenüber profil, sie werde die Ausschreibung abwarten und dann erst entscheiden, ob sie sich bewirbt.
Kušej als Favorit
In der Tat ist die Übergabe 2019 nicht ideal, weil hochkarätige Kandidaten gegenwärtig nicht zur Verfügung stehen. Die besten Chancen werden dem gebürtigen Kärntner Martin Kušej, Jahrgang 1961, eingeräumt. Der Regisseur leitet seit 2011 das Bayerische Staatsschauspiel mit dem Flaggschiff Residenztheater; nach holprigen ersten Saisonen läuft die Institution mittlerweile rund. Ein Startvorteil wäre, dass Kušej die Burg gut kennt. Zudem verfügt er über eine starke Regiehandschrift. Allerdings hat er seinen Vertrag in München gerade erst bis 2021 verlängert. Laut Insidern könnte er aufgrund einer Sonderklausel bereits 2019 aussteigen, ohne Pönale zahlen zu müssen. Auf profil-Nachfrage wird dies zumindest nicht dementiert: Man äußere sich prinzipiell nicht zu Vertragsinhalten, lässt die Pressestelle des Residenztheaters lediglich wissen. Und der bayerische Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) erklärte per E-Mail, er könne über Inhalte des Residenztheater-Vertrags keine Auskunft geben, da mit Kušej „Verschwiegenheit vereinbart wurde“. Doch selbst wenn der Regisseur früher aussteigen sollte, wäre es für ihn schwierig: Er müsste 2019 seine letzte Saison in München absolvieren und praktisch gleichzeitig ein neues Repertoire für die Burg entwickeln, die im Herbst desselben Jahres unter ihm neu starten würde.
Die zweite Favoritin hat ein ähnliches Problem: Die deutsche Regisseurin Karin Beier, 51, seit 2013/14 Chefin des Schauspielhauses in Hamburg, hat einen Vertrag, der sie offiziell bis 2021 bindet. Beier bewies schon in Köln, dass sie Gespür für innovative Theaterprojekte und vielfältige Spielpläne hat. Für Drozda wird die Besetzung der Burg auf jeden Fall ein Spagat: Er muss jemanden finden, der Bergmanns Weg der Konsolidierung des angeschlagenen Hauses weiterführt, aber zugleich auch für grundlegende Erneuerung steht.