Bundeskanzleramt: Eklat um Filmbeirat
An die 3000 Unterschriften kamen allein in den ersten sieben Tagen zusammen, nachdem die IG Filmkultur einen offenen Brief an Kulturminister Gernot Blümel übersandt hatte. Thema: die Neubesetzung der Expertengremien in der Abteilung II/3 des Bundeskanzleramts (BKA), zuständig für die Förderung „innovativer Projekte im Bereich des Spiel-, Dokumentar-, Animations- und Experimentalfilms“. Denn Blümels Entscheidung, für die Filmbeiräte im BKA Menschen ohne jede Erfahrung mit experimentellen Filmformaten zu verpflichten, stieß auf branchenweite Irritation. Auf dem Spiel steht nichts weniger als der international erstklassige Ruf der österreichischen Avantgarde und der innovativen Low-Budget-Produktionen in den Sparten Dokumentar-, Animations-, Kurz- und Spielfilm.
Weltweite Strahlkraft
Man muss sich, um ermessen zu können, worum es hier wirklich geht, die weltweite Strahlkraft etwa der Filme Peter Tscherkasskys oder Johann Lurfs vor Augen halten, deren Werke – im eigenen Land weitgehend unbemerkt – regelmäßig an die 100 Einladungen zu internationalen, teils sehr renommierten Festivals generieren. Aber auch außerordentliche Produktionen wie die soeben im Kino gestartete, formal erfindungsreiche Feminismus-Kunst-Doku „Sie ist der andere Blick“ (Regie: Christiana Perschon) sind und waren auf Förderungen aus der Filmabteilung des BKA angewiesen, die jährlich (ohnehin karge) 2,2 Millionen an künstlerisch angemessene Unternehmungen zu vergeben hat.
Neue Beiräte ohne Expertise im innovativen Kino
Über den Kopf der langjährigen, stets umsichtig und im Sinne der Kunst agierenden Abteilungsleiterin Barbara Fränzen hinweg wählte Blümel für beide Beiräte – der eine zuständig für Filmproduktionen, der andere für Festivalförderung – Menschen aus, die in dem Feld, in dem sie nun mehrere Jahre lang Förderungsempfehlungen aussprechen sollen, keinerlei Expertise haben, dafür regierungsnahe Weltbilder vertreten. Der Produzent Oliver Auspitz hat sein Geld mit Serien wie „Schnell ermittelt“ und Boulevardkino wie „Anna Fucking Molnar“ verdient – und die TV-Miniserie „Maximilian“ (2017), die Gernot Blümel, gefragt nach seinem Lieblings-Austro-„Film“, vor ein paar Wochen erst öffentlich genannt hat. Der Schauspieler Hannes Fretzer, der als Regisseur dilettantischer Kurzfilme (Kostproben sind im Netz abzurufen) bislang unter jedem Radar geblieben ist, und der bei der Novotny Film arbeitende, primär Mainstream herstellende Produzent Alexander Glehr flankieren ihn. So bleiben vom alten Filmbeirat nur Barbara Kaufmann und Dariusz Krzeczek; sie sind nun in der Minderheit.
Umbau in Richtung TV-Kommerzialismus
Ob dieser Beirat Projekte empfehlen können wird, die „von überregionalem Interesse sind, beispielgebend wirken und innovatorischen Charakter haben“ (so das Kunstförderungsgesetz), ist mindestens fraglich. Mit dem schauspielenden Kurz-Unterstützer Serge Falck und dem Musicalautor Peter Hofbauer hat man auch den Festivalbeirat, in dem lediglich ein Mensch vom Fach, der poolbar-Betreiber Herwig Bauer sitzt (er musste, wie Kaufmann und Krzeczek, vom alten Beirat übernommen werden), keineswegs kompetenter besetzt. Österreichs Filmszene – und mit ihr die Interessensvertretungen der Bildenden Kunst, der Ähnliches drohen könnte –, ist in Sorge und Aufruhr. Aus guten Gründen: Der Umbau der Filmförderung in Richtung TV-Kommerzialismus ist angelaufen. Eine profil-Anfrage zur Causa konnte oder wollte das Ministerbüro seit Donnerstag vergangener Woche nicht beantworten.