Cannes 2019: Goldene Palme an "Parasite", ein Hauptpreis nach Österreich
Der südkoreanische Regisseur Bong Joon-ho („The Host“, „Snowpiercer“, „Okja“) arbeitet an einer sehr speziellen Art des Kinos, zu der sonst kaum jemand Zutritt hat: an der Schnittstelle von Arthouse und Blockbuster, von kreativer Finesse und wildem Entertainment.
Am Samstagabend wurde ihm nun, nicht ganz überraschend, für seine neue Groteske „Parasite“ die ehrwürdige Palme d’or des 72. Filmfestivals in Cannes verliehen. Tatsächlich gehörte Bongs Erzählung von der mittellosen Familie, die sich – dienstbare Geister mimend – ins Superreichen-Milieu trickst, zu den überraschendsten Werken dieses Jahrgangs.
Während sich in der Designervilla, dem Hauptschauplatz von „Parasite“, das Kräftespiel zwischen großbürgerlichem Snobismus und proletarischer Expansion vollzieht, wartet in den geheimen Kellergängen eine zusätzliche böse Überraschung, die direkt ins blutige Finale dieser Gesellschaftsfarce führt.
Sozialkritische Produktionen wurden von der Jury, unter Leitung Alejandro González Iñárritus, bevorzugt behandelt: Ihren Grand Prix verlieh sie an „Atlantique“, das magisch-realistische Debüt der jungen französischen Filmemacherin Mati Diop, der ersten schwarzen Regisseurin, die je in den Cannes-Wettbewerb eingeladen wurde. In Dakar gedreht, weist „Atlantique“ – Liebes- und Geistergeschichte in einem – zwar die inszenatorischen Unebenheiten eines Erstlingswerks auf, aber der Film hat poetisches Potenzial und große Sympathie für die entrechteten Heldinnen, denen diese Fabel von Arbeitskampf, Migration und Zwangsverheiratung gilt.
Den Jury-Preis teilten sich der abgründige brasilianische Ethnografie-Schocker „Bacurau“ (Regie: Kleber Mendonça Filho und Juliano Dornelles) und ein französischer Polizeifilm: Ladj Lys Banlieue-Drama „Les misérables“ gab sich „politisch“, spielte auch auf die Gelbwestenbewegung an, zog aber das Spektakel dem Sozialen sichtlich und jederzeit vor.
Und die beiden Darstellerpreise gingen nicht an die auffälligsten oder mitreißendsten, sondern an die subtilsten Performances des Wettbewerbs 2019: Als Alter Ego des Filmemachers Pedro Almodóvar brillierte der Spanier Antonio Banderas in „Dolor y gloria“, der autobiografisch grundierten, farbrauschhaften Zwischenbilanz einer dornigen Regiekarriere.
Noch cooler legte nur die Britin Emily Beecham ihre Darstellung an: In Österreichs Wettbewerbsbeitrag, in Jessica Hausners synthetischer Horrorsatire „Little Joe“, gibt sie eine Pflanzenforscherin, die in den Duft einer von ihr erzeugten Blume gefährliche psychotrope Wirkstoffe legt. Beechams zurückhaltendes, fein nuanciertes Spiel machte noch einmal deutlich, dass ein gewisser Minimalismus im Kino von maximaler Faszinationskraft sein kann.