Christian Rosa: Der tiefe Fall des Bad Boy
Den Ernst der Lage schien er bis zuletzt nicht begriffen zu haben. Als sich Christian Rosa vor ein paar Wochen telefonisch bei einem Freund in New York meldete, nannte er sich zur Begrüßung scherzhaft „America’s Most Wanted“. Tatsächlich war er da bereits auf der Flucht vor den US-Behörden, angeklagt als Betrüger und Kunstfälscher, zur weltweiten Fahndung ausgeschrieben, und offenbar schmeichelte seinem ungebremsten Narzissmus auch das noch; die Phrase „meistgesucht“ war ihm vielleicht doppeldeutig genug: Hauptsache, das öffentliche Interesse, das so plötzlich abhandengekommen war, hatte sich wieder eingestellt.
Noch vor wenigen Jahren sah es so aus, als wäre der 1982 in Brasilien geborene Christian Rosa, der ab den späten 1980er-Jahren in Österreich aufgewachsen war, auf seinem Weg nach oben kaum noch aufzuhalten. In der Klasse des deutschen Malers und Kunstfreidenkers Daniel Richter, der als Professor an der Wiener Akademie der bildenden Künste seit 2006 eine wilde, weithin berüchtigte Truppe ausbildete, stilisierte sich Rosa zwischen 2007 und 2012 mit Skater-Coolness, Party-Exzessen und Bad-Boy-Attitüde zum alternativen Wunderkind, zum Enfant terrible des Gegenwartskunstbetriebs.
Seine Rechnung ging zunächst auf: Er stellte etwas dar, er fiel auf. In den dekorativen, kindlich hingekritzelten und erratisch geordneten Abstraktionen des 2012 nach New York City, im Sommer 2013 nach Los Angeles emigrierten Aufsteigers mag man eine popkulturell clevere Aktualisierung der zeichenhaften Kunst des Spaniers Joan Miró und des Russen Wassily Kandinsky sowie der kalligrafischen Chiffren des US-Malers Cy Twombly sehen. Die kunsthistorische und ästhetische Bedeutung dieser Vorbilder ließ er zwar vermissen, aber das passte gut in eine Branche, der simple Zeichen und unterhaltsame Selbstinszenierungen inzwischen eher ins Auge stachen als vertiefendes Denken und ernsthafte künstlerische Auseinandersetzung.
Rosa passte seine Arbeit fugengenau in den jeweils aktuellen Hype ein, machte eben „Zombie-Formalismus“ oder „Crapstraction“. Um gute Labels für sein Schaffen war er nie verlegen. Und Rosas Gemälde erzielten plötzlich sechsstellige Dollar-Summen, die internationale Kunstkritik erging sich in Lobeshymnen, namhafte Galerien bemühten sich um ihn, und renommierte Kunsthistoriker und Kuratoren (es waren tatsächlich fast ausschließlich Männer) begannen von der Gegenwärtigkeit dieser Kunst zu fantasieren, die „mit dem Schwung neuer Highways oder den Berechnungen eines Skates, mit dem Fadenkreuz einer Spielkonsole und der Distanz einer Drohne“ entstanden sei (Roberto Ohrt, 2014).
Rosa wurde bald hofiert wie ein exotisches Ausnahmetalent – und um weiter aufzusteigen, hofierte er selbst all jene, die berühmter waren als er. Seine Vernissagen hatten eine Kultur- und Polit-Prominentendichte, von der andere nur träumen konnten. In seinen ersten Monaten in Los Angeles wohnte Rosa in dem berühmten Hotel Chateau Marmont in Hollywood, auf Einladung natürlich. „Nachts um drei klopften Leute an die Tür und hatten 150.000 Dollar in bar dabei, um ein Bild bei mir zu kaufen“, erzählte er Journalisten. Er schickte sie weg, behauptete er. Ob das hart sei? „Ja, wenn man nie etwas hatte, ist das hart. Aber klüger.“
Im Frühjahr 2014 setzte ihn die einflussreiche Website „Artrank“ in der Sparte „Early Bluechip“, die kommende Superstars auflistet, gleich an die Spitze.
Der Rapper Jay-Z, die Musikerin Courtney Love sowie die Schauspieler Leonardo DiCaprio und Orlando Bloom schauten in Rosas weitläufigem Studio in Downtown Los Angeles vorbei, das er sich zum 1000-Quadratmeter-Spielzimmer ausgestattet hatte, und sie alle erweiterten ihre Kunstsammlungen um Objekte des angesagten Burschen mit dem HipHop-Gangster-Style. 2014 erzielten Rosas Werke allein bei Auktionen insgesamt 670.000 Euro, 2015 waren es immerhin noch 490.000. Ein Jahr später lag sein Jahresversteigerungsergebnis bei 137.000 Euro, Tendenz: weiter fallend. Im Herbst 2014 wurde ein Rosa-Gemälde bei Christie’s in New York für über 200.000 Dollar verkauft. Ein Jahr später war ein ähnliches Rosa-Werk bei Sotheby’s nur noch ein Siebentel dessen wert.
Der Traum vom Weltruhm und vom großen Geld platzte wie ein angestochener Luftballon. Auf Rosas Website findet sich seit vier Jahren kein neuer Eintrag mehr. Seinen luxuriösen Lebensstil wollte er indes nicht aufgeben, verprasste sein Geld wie zwanghaft, fuhr teure Autos und bewohnte kalifornische Villen, umgab sich mit Film- und Rock-Prominenz, versorgte Freunde mit Wohn- und Arbeitsraum. Über seinen großspurigen Lifestyle dachte er nicht nach, sagt ein Insider: „Auch wenn man umsonst im Luxushotel wohnt, hat man, wenn man jeden Abend die vollbestückte Bar leer trinkt, am Ende des Monats eben 50.000 Dollar Schulden.“
Es besteht nun der dringende Verdacht, dass Rosa, als seine Schulden um 2017 existenzbedrohend wurden, einen kriminellen Plan gefasst habe. Er habe dazu seine guten Kontakte genutzt – und seine Freundschaft mit dem US-Kunststar Raymond Pettibon missbraucht, so der Vorwurf der US-Behörden. Im Februar 2021 verließ Rosa, der gefeierte Hipster von einst, die USA jedenfalls eilig. Im Jänner war in Online-Kunstmedien erstmals über Fälschungsvorwürfe berichtet worden, nachdem ein vermeintliches Pettibon-Werk bei einer Auktion in New York aufgetaucht war.
Mit einigen Monaten Verzögerung erhoben die New Yorker Staatsanwaltschaft und das FBI Mitte Oktober 2021 schließlich Anklage gegen Christian Rosa, der zwischen 2018 und 2020 mindestens vier Arbeiten als Werke des Künstlers Raymond Pettibon ausgegeben haben soll, die er – gemeinsam mit mutmaßlichen Komplizen (als Beweismittel wurden E-Mails sichergestellt) – vervollständigt oder ganz gefälscht haben soll; diese Werke habe er unter der Hand verkauft. Gefälscht seien übrigens nicht nur die Bilder gewesen, sondern auch die Unterschriften auf den Echtheitszertifikaten. Rosa habe die Käufer um Hunderttausende Dollar betrogen und Pettibons Ruf aufs Spiel gesetzt, sagt die Staatsanwaltschaft. Das Geld aus dem Verkauf der ersten beiden Bilder habe Rosa in die Kreditanzahlung für ein lichtes Mid-Century-Haus in Los Angeles investiert: Es hat sechs Schlafzimmer, vier Bäder, einen Tennisplatz und einen Pool.
Dem Käufer der ersten beiden Fälschungen soll Rosa für seine Hilfe beim Verkauf der anderen beiden angeblichen Pettibon-Werke ein fünftes Gemälde geschenkt haben. Wegen Überweisungsbetrug („wire fraud“) sowie schwerem Identitätsdiebstahl wurde Rosa angeklagt. Es gilt die Unschuldsvermutung. Bis zu 20 Jahre Freiheitsstrafe stellen die Behörden in Aussicht. Rosa hatte im Februar 2021 die USA verlassen, sein Haus in Kalifornien verkauft, und er habe laut FBI versucht, die Einnahmen daraus ins Ausland zu schaffen. Das auf Kunstverbrechen spezialisierte Team des FBI empfahl ihm dringend, sich zu stellen; denn man werde ihn über kurz oder lang finden. Vor wenigen Tagen war es so weit: Der lange Arm der Sicherheitsbehörden machte Rosa in Portugal ausfindig und dingfest – laut Recherchen des US-Magazins „Vanity Fair“ auf Basis eines Fotos, das Rosas Frau leichtsinnig auf ihren Instagram-Account gestellt und ihren Aufenthaltsort, das idyllische Dorf Vila Nove de Milfontes an der südwestportugiesischen Küste, verraten hatte.
Offizielle Auskünfte zu Rosas Verhaftung sind gegenwärtig schwer zu kriegen: Die Pressesprecherin des New Yorker FBI-Büros bedankt sich für das Interesse und bedauert, in dieser Sache nicht weiterhelfen zu können. Die österreichische Botschaft in Lissabon beruft sich ebenso wie das Außenministerium auf Datenschutz. Nur so viel dringt auf profil-Anfrage aus dem Außenamt: Es sei ein österreichischer Staatsbürger in Portugal verhaftet worden. Man stehe in Kontakt zu ihm sowie den Behörden vor Ort, es finde eine „konsularische Beratung“ statt. Unklar bleibt, ob und wann Rosa in die USA ausgeliefert werden könnte oder ob man ihn vorerst nach Österreich bringen will. Laut Abkommen zwischen der EU und den USA ist eine Auslieferung angesichts von Straftaten möglich, bei denen eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr droht. Alle Kontaktversuche ließ Rosa übrigens – wenig überraschend – unbeantwortet. Seine Frau, mit der er zuletzt durch Portugal reiste, ließ auf profil-Anfrage lediglich wissen, dass „leider kein Interesse für ein Interview“ bestehe.
Wie aber konnte eine vielversprechende Karriere derart entgleisen? Christian Rosa, geboren als Christian Weinberger in Rio de Janeiro, kam als Siebenjähriger mit seiner Mutter nach Wien. Er wuchs in bürgerlichen Verhältnissen auf, sein Stiefvater war Diplomat. Schon in der Mittelschule fiel er durch seine Dreistigkeit auf, erinnert sich ein Klassenkamerad. Mit Mitte 20 bewarb sich Rosa an der Akademie zunächst erfolglos in der Fotoklasse bei Matthias Herrmann, der ihm riet, es lieber in der Malerei-Abteilung bei Daniel Richter zu versuchen. Dessen Offenheit für gestrandete, unangepasste Existenzen kam Rosa gelegen. Er wurde aufgenommen. Richter sei sein „punk rock professor“, gewesen, sagte Rosa später, ein „Anarchist“, der „meine troubles mochte“. Die „Richterklasse“ war bald bekannt für Regelbruch, Exzess und einen stark erweiterten Kunstbegriff. Es habe ein ausgeprägtes Macho-Klima in der Klasse gegeben, sagt eine, die ihn noch aus Studienzeiten kennt; sie will – wie so viele, die profil in dieser Sache befragte – lieber anonym bleiben. „Da war stets viel Alkohol im Spiel, und Drogen gab’s in rauen Mengen.“
Die Richter-Clique sei eine „migrantisch-proletarisch-inklusive“ Gruppe gewesen, alle „sympathisch exzessiv“, erklärt einer, der das alles von innen beobachten konnte. Vor allem Rosa und Alex Ruthner sorgten im heftigen Zusammenspiel stets zuverlässig für Lärm, Aufmerksamkeit und Hysterie. Auf Partys rückte sich Rosa gern in den Vordergrund, sicherte sich in seiner Peer-Group mit Groß- und Freizügigkeit Popularität.
Ein anderer, der mit ihm in der Klasse war, beschreibt Rosa so: Er habe „mit beschränktem Talent und möglichst wenig Zeitaufwand etwas schaffen wollen, das möglichst viel Geld einbringt“. Daniel Richter habe seine Truppe einmal nach Hamburg eingeladen, ihr ein Haus in einer guten Gegend zum Arbeiten zur Verfügung gestellt. Die ganze Klasse reiste an – und zerstörte das Haus in wenigen Tagen. Bilder wurden an die Wände gemalt, alles vermüllt, „es war nicht auszuhalten“, berichtet einer der Augenzeugen, „ich bin schnell ausgezogen. Und Richter meinte dann nur: ‚Ich will gar nicht wissen, wer das war, aber das war sicher das letzte Mal.‘“
Als "hochgradig emotionalen Typen" beschreibt der Wiener Galerist Christian Meyer Rosa: "Auf der Akademie hasste man ihn, weil er sich dauernd geprügelt hat. Seine Feinde von der Akademie haben sogar unsere Galeriewand beschmiert. Bei uns war er immer okay. Zu Franz Wests Begräbnis reiste er extra an aus den USA, und er war dann der Einzige, der am Grab heftig schluchzte."
Rosa konnte charmant sein, Leute auf seine Seite ziehen. Nur bei seinem Professor habe das lange gedauert, sagt ein Weggefährte. "Rosa organisierte Essen, aber Richter kam nie, und Chris war extrem sauer. Richter kritisierte immer wieder auch dessen Arbeiten heftig, Rosa riss sie dann cholerisch von der Wand und zertrat sie vor der Klasse." Tatsächlich eskalierten Rosas Eskapaden häufig und bisweilen durchaus drastisch. profil hat den Kontakt zu Menschen gesucht, die von Rosa in Mitleidenschaft gezogen worden waren, outen wollte sich am Ende niemand. "Wir waren froh, als er weg war",sagt eine, die ihn kennenlernte. Rosa habe sich seinen Weg freigeprügelt, wie es ein anderer formuliert. Eine Weile habe Rosa deshalb auch Akademieverbot gehabt. Rosa spricht indes lieber von einer "Rangelei" mit einem Typen, der ihn "dann verpetzt" habe.
Im Versuch, ihn zu beschreiben, gaben viele, die ihn gut kannten, an, dass er bei aller Dünnhäutigkeit, Wut und Humorlosigkeit eben "auch ein sozialer, bisweilen gewinnender Typ" war. 2012 ging er nach fünf Jahren von der Akademie ab. Er folgte dem Lockruf des Goldes, wollte weg aus Wien. "Viele haben sich gewundert, dass in Zeiten von #MeToo ausgerechnet einer wie er gepusht wird",meint eine der damaligen Akademie-Studentinnen. Aber bei Rosa haben viele gern beide Augen zugedrückt, darunter die renommierte Galerie Contemporary Fine Arts (CFA) in Berlin, die ihm 2014 seine erste international wahrnehmbare Einzelausstellung verschafft hat. Von da an ging es für ihn kurz steil aufwärts.
In einem YouTube-Video geriert sich Rosa 2015 in seinem Studio in Los Angeles als sympathischer Exzentriker, als "trouble child",das es schwer gehabt habe. "Rosa hat sich als armer Junge von der Straße gegeben, dabei kam er aus gutem Haus",meint eine Kollegin. "In den USA haben sie diese Geschichte gern geglaubt." Rosa habe sich als neuer Basquiat inszeniert, als gequältes Genie. Ende 2014 schrieb das britische, auf Mode und Kunst spezialisierte "10 Magazine",Rosa sei "gutaussehend wie ein Filmstar, der, obwohl wortkarg, genuine Wärme" besitze. Als schillernder, schwieriger, auch einnehmender Charakter wird Rosa von denen, die ihn in Wien kannten, beschrieben. Er sei ein guter Manipulator, habe viel destruktive Energie, aber das Auge immer auf die eigenen Interessen. Dass er überall rausflog, machte ihn manchen auch sympathisch; er war dubios, aber nicht ohne Anziehungskraft, hielt sich nicht an die Gepflogenheiten des Betriebs, das erschien auch mutig. In dem Gemenge von Selbstüberschätzung, Gewalt und Suchtmitteln, mutmaßt eine Klassenkollegin, habe Rosa eine Überdosis Narzissmus entwickelt, auch die Überzeugung, "dass ihm all das zustehe, der Luxus, die Villen, die Ferraris, das Geld". Dabei sei er einfach nur "ein Bub ohne Eleganz, ohne Manieren, ohne Humor". Es passt zu Rosas Eitelkeit, dass er möglicherweise sogar sein Geburtsdatum frisiert hat-laut "New York Times" sei er bereits 43 Jahre alt.
Die Aura eines Hochstaplers hatte Rosa stets. Die "Hollywood-Karriere",die er in Los Angeles kurzzeitig machte, passt gut ins Bild. Fotos zeigen ihn mit dem Künstler David LaChappelle und dem Jung-Galeristen Vito Schnabel, auch mit "Baywatch"-Starlet Pamela Anderson, mit der er offenbar eine via Instagram bestätigte Affäre hatte. Und die Galerieszene interessierte sich zwei Saisonen lang brennend für ihn: In der Berliner CFA stellte er schon im Mai 2014 aus, im Frühling 2016 noch einmal-unter dem Titel "Mach's dir selbst". Der britische Kunsthändler Jay Jopling, Betreiber der Galerie White Cube, zeigte Rosas Arbeiten 2015 in London und São Paulo.
Die Sammlerin und Mäzenin Francesca Habsburg war von ihm ebenso begeistert wie die mächtigen Kuratoren Hans-Ulrich Obrist und Francesco Bonami, auf dessen Empfehlung Rosa-Bilder in einflussreichen Sammlungen landeten. Und Rosa wurde zum Hansdampf in allen angesagten Gassen: Er koproduzierte Indie-Filme("A Wonderful World",2015),sang Cloud-Rap mit Yung Hurn, entwarf Skateboard-Aufdrucke für die Firma Baker.
Die Wiener Galerie Meyer Kainer sprang ebenfalls auf, dort zeigte man Anfang 2016 die Rosa-Schau "Now It's Over".Christian Meyer nahm Rosa erst vor ein paar Tagen aus seinem Portfolio. "Er war, gelinde gesagt, sehr unverlässlich. Wir führen eine professionelle Galerie, und er hat eben viel Fantasie." Einmal habe Rosa telefonisch versprochen, er sei in fünf Stunden bei ihm, erzählt Meyer, "dann fand ich heraus, dass er gerade in Los Angeles war".In gewisser Hinsicht sei er "ein toller Typ, ein Freak eben und ein sehr talentierter Künstler, aber man will sich all diese Zumutungen nicht antun".
Hypes halten nie, sagt der Galerist noch, "die Euphorie klingt ab, aber eine internationale Nachfrage genießt Rosa bis heute".Zuletzt habe er den Künstler vor zwei, drei Jahren in Wien gesehen, "als er sich wohl gerade ein Schloss in Frankreich gekauft hatte, wo er ein Kunstzentrum etablieren wollte".Aus dem Galeriesystem sei er zu jener Zeit schon rausgefallen, denn da müsse man "Verbindlichkeiten einhalten. Das war ihm wohl zu spießig. Er hat mir einmal erklärt, dass es ihm auch recht wäre, eine Würstelbude zu betreiben, das fände er genauso spannend."
Mit Rosa habe es "relativ viel Wirbel" gegeben. "Er war immer großzügig, mietete für die Nacht nach der Vernissage ein ganzes Lokal, um ein Riesenfest zu veranstalten, mit einer berühmten Band, extra aus Amerika eingeflogen. Wenn er da ist, hat man Primetime. Aber meine Nerven sind nur bedingt belastbar."Rosa sei eben ein ganz eigener Künstlertyp, meint Meyer noch, "einer, der den halben Tag online ist, um weltweit präsent zu sein. Vieles ist nicht aufgegangen für ihn. Er nannte ja schon seine Ausstellung bei uns ironisch 'Now It's Over'. Seit dieses Theater um Rosa stattfindet, kriegen wir übrigens viel mehr Anfragen nach seinen Arbeiten als vorher."
Den US-Künstler Raymond Pettibon, 64, kannte Rosa lange. Pettibon pflegte stets einen großzügigen Umgang mit seinen Werken, sympathisierte mit Kunstbetriebsverlierern, schenkte Bedürftigen auch Arbeiten, von denen er wusste, dass sie diese billig verkaufen würden. Aber Rosa scheint seine Freundschaft mit Pettibon als Gelegenheit gesehen haben: Als er um 2017 in Geldprobleme schlitterte, die das übliche Niveau überschritten, brauchte er einen neuen Plan. Er habe Werke von Pettibon gefälscht, auf welchen Wegen (und mit wessen Hilfe) auch immer-in der Anklageschrift gegen Rosa ist von einem mutmaßlichen Komplizen "in Österreich" die Rede-,und anschließend versucht, für die Fälschungen Käufer zu finden, die mit den Arbeiten nicht gleich wieder ins Auktionshaus gehen würden. Pettibons "Wave"-Serie ist besonders teuer, ein Bild wurde erst vor drei Wochen für über 700.000 Euro verkauft. Als die von Rosa verkauften Werke doch öffentlich und angezweifelt wurden, erklärte Pettibons Galerist David Zwirner die Zertifikate für gefälscht.
Wie Rosa Pettibons Bilder gefälscht haben soll, ist schon deshalb unklar, weil ihm sein Umfeld dies schon handwerklich nicht zutraut ("naturalistisch malen konnte Rosa nicht",wie ein Wiener Bekannter sagt).Allein deshalb müssten an dem Betrug "weitere Leute aus seinem Umfeld involviert sein".
Der tiefe Fall des Christian Rosa vom Kunststar zur Persona non grata, der sich in den vergangenen fünf Jahren vollzog, ist ein Sittenbild, das auch die Irrwege und Abgründe eines überhitzten Kunstbetriebs vorführt. Sollte Rosa in die USA ausgeliefert werden, droht ihm jahrelanger Freiheitsentzug. Erst im Sommer 2020 war ein kalifornischer Kunstfälscher zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt worden. Rosas einstiger Professor, der Künstler Daniel Richter, sagt lakonisch nur: "Ich wünsch ihm alles Gute."Und: "Manchmal läuft's eben nicht rund."
Ob selbst das absurdeste Gerücht, das er je über sich gehört habe, wahr sei, wurde Rosa vor ein paar Jahren in einem Interview gefragt. Er antwortete: "Alles ist wahr. Was immer du gehört hast, es ist wahr."