Comicbuch Girlsplaining: "Für eine Feministin bist du ganz schön lustig"
Was Mansplaining ist, dürfte im Laufe der #MeToo-Debatte auch der letzte Mann mitbekommen haben. Zur Erinnerung schauen wir im Oxford English Dictionary nach: Mansplaining - jemandem etwas auf eine als herablassend oder bevormundend empfundene Weise erklären, typischerweise ein Mann gegenüber einer Frau.
Die deutsche Comiczeichnerin Katja Klengel dreht in "Girlsplaining" das Erklärungsverhältnis einfach um. Aber Besserwisserei hat in ihrem Buch keinen Platz. Vielmehr ist "Girlsplaining" ein langer illustrierter Brief an ihr 15-jähriges Ich. Mit viel Humor fragt Klengel, warum in ihrem Schulunterricht kaum weibliche Vorbilder vorkamen, weibliche Sexualität immer im Schatten der Penisse stand und sie als Heranwachsende nur ein einziges Lego bekam - und das war natürlich pink.
Dass Klengels Illustrationen selbst in sanftem Pink gehalten sind, passt zum Grundton des Buches: Selbstermächtigung und Humor sind keine Gegensätze, sondern kommen sehr gut miteinander aus. Ums Auskommen, nämlich mit sich selbst, wenn es sein muss auch im Widerstand gegen gesellschaftliche Konventionen, geht es am Ende auch in "Girlsplaining". Ihren Brief an ihr jüngeres Ich beendet Klengel mit den Worten: "Ich werde auf uns achtgeben und das mit der Selbstliebe mehr zelebrieren."
profil hat mit der 30-jährigen Comicautorin über frühe Heldinnen, das Geschlechterbild der "Bravo" und ein nerviges Wiedersehen mit "Sex and the City" gesprochen.
profil: Ihr Buch ist ein sehr persönlicher Blick auf ihre Jugend und das Erwachsenwerden. Was war der Auslöser, sich damit zu beschäftigen? Katja Klengel: Ich habe angefangen mich mit dem Thema zu beschäftigen, als die Anfrage kam, ob ich eine Comic-Kolumne machen möchte. Das war im Jahr 2017. Beim Nachdenken darüber ist mir aufgefallen, dass mich das schon sehr lange begleitet. Daher war die Auseinandersetzung mit meinem früheren Ich unvermeidlich. Aus diesem Nachdenken ist die Kolumne "Girlsplaining" entstanden, auf welcher das Buch basiert. Dabei ist mir auch klar geworden, dass diese Themen nicht nur mich betreffen, sondern dass es sich um strukturelle Probleme handelt, mit denen ich mich als Teenager einfach nicht so befasst habe.
profil: Gab es für Sie in diesem Prozess einen Aha-Moment? Klengel: Richtig angefangen hat es mit dem Buch von Rebecca Solnit "Men explain things to me" (Erschienen im Jahr 2014, Anmerkung). Darin wurde erstmals der Begriff Mansplaining verwendet. Da habe ich mir gedacht: Hey, das passiert mir selbst auch. Zum Beispiel an meiner Kunsthochschule in Dresden, an der nur männliche Professoren sind und Mansplaining an der Tagesordnung steht.
profil: Die liberale Kunstwelt ist davon genauso betroffen wie andere Arbeitswelten? Klengel: Ja. ich hab mich auch immer gefragt, warum ich mich an der Kunstschule nicht wohlgefühlt habe. Ich bin erst später drauf gekommen, dass die Strukturen dort patriarchal durchzogen sind, die Professoren der Meinung waren, dass Gleichstellungsbeauftragte Quatsch sind und keinen Bock hatten, mit den Studierenden auf Englisch zu sprechen. Diese Machtstrukturen sind mir aber erst viel später aufgefallen.
profil:Ihre Schilderungen sind sehr intim. Zum Beispiel erzählen Sie von Ihren ersten Schamhaaren und dem ersten Sex. War das Erzählen Ihrer Geschichte eine Überwindung oder eine Befreiung? Klengel: Eher eine Befreiung. Am Anfang habe ich natürlich darüber nachgedacht, was ich und wie ich erzählen möchte. Denn ich wusste, dass einige Themen sehr intim sein werden. Aber beim Zeichnen hat es sich so angefühlt, als würde ich gleichzeitig eine Scham überwinden.
profil: Sie sind in den 1990er-Jahren aufgewachsen. War diese Zeit also doch noch nicht so offen wie gedacht? Klengel: Für mich persönlich war sie nicht so liberal, weil ich auch in einem patriarchalen Haushalt aufgewachsen bin. Ich bin im Plattenbau in Jena geboren und habe erst mit meinem Umzug nach Berlin gemerkt, dass ich auch anders funktionieren kann.
profil: Aber auch damals gab es bereits popkulturelle Größen wie Madonna oder Björk. Klengel: Meine Heldinnen waren Alanis Morisette und Cranberries. Ich war ein Mädchen, das die ganze Zeit vor dem Fernseher gehockt und Serien geschaut hat. Da waren Sailor Moon und diverse Anime-Charaktere große Vorbilder. Ich hatte davor noch nie gesehen, dass es weibliche Superheldinnen gibt, die nicht nur über Typen labern, sondern die Welt retten. Zudem kamen homosexuelle und transgender Charaktere vor. Als mir eine Freundin dann gesagt hat, dass sie lesbisch ist, habe ich überhaupt nicht verstanden, warum das so eine Hürde war, mir das zu erzählen. Ich kannte das schon aus den Serien.
Wahrscheinlich ist es heute genauso schwierig, aber es gibt mittlerweile mehr Möglichkeiten sich auszutauschen.
profil: Ist es heute aufgrund des Internets leichter, Gleichgesinnte und Vorbilder zu finden? Klengel: Das kommt darauf an, in welcher medialen Blase man sich bewegt. Auf der einen Seite bekommt man ganz viel Body Positivity mit. Aber solange es immer noch Magazine gibt, die propagieren, dass man seinen Körper hassen und verstecken sollte, ist es schwierig das abzulegen. Wahrscheinlich ist es heute genauso schwierig, aber es gibt mittlerweile mehr Möglichkeiten sich auszutauschen. Genau diesen Austausch soll das Buch auch fördern. Ich glaube, vor ein paar Jahren wäre "Girlsplaining" nicht so einfach im Laden erhältlich gewesen und hätte so einen Nerv getroffen. Ich habe vor kurzem die "Bravo" wieder einmal in der Hand gehabt, die ich früher viel gelesen habe. Die funktioniert aber großteils immer noch nach alten Geschlechterrollen und die weibliche Sexualität hat immer noch etwas versteckt Beschämendes.
profil: #MeToo hat die Debatte aber doch nach vorne gebracht. Oder sehen Sie wieder eine Art Backlash? Klengel: Ich habe das Gefühl, dass die #MeToo-Debatte recht fortschrittlich ist, weil Frauen zu Wort kommen. Gleichzeitig fühlen sich Männer wieder bedroht in ihrer Männlichkeit und sehen das als Angriff. Aber das zeigt nur, dass es notwendig ist weiterzumachen.
profil: Hatten Sie komische Reaktionen von Männern auf Ihr Buch? Klengel: Negative Kommentare finde ich immer interessant. Denn dafür muss man das Buch zuerst einmal lesen. Es gab nur einmal einen negativen Kommentar, ich nenne das ein verstecktes Lob: "Für eine Feministin bist du ganz schön lustig".
profil: Ihre Illustrationen haben Sie augenzwinkernd in Rosa gehalten. Klengel: Genau. Farben sollten nicht an ein Geschlecht gebunden sein. Rosa wird mit süß, nett und Glitzer assoziiert. Das hat auch mit einem Machtprozess zu tun, um Frauen Schwäche zuzuschreiben. Dagegen wollte ich aufbegehren und klarmachen, dass man dieser Farbe ein neues Gewand geben und neu positionieren kann.
In "Sex and the City" quatschen die Frauen den ganzen Tag nur über Männer.
profil: Sie beginnen Ihr Buch mit einem selbstironischen Blick auf ihre jugendliche Affinität zur Serie "Sex and the City". Heute wohl kein Vorbild mehr für Feministinnen, oder? Klengel: Ich habe früher viel "Sex and the City" geschaut. Aber das ist definitiv eine Serie, die schlecht altert. Bei "Friends" ist das ähnlich. In "Sex and the City" quatschen die Frauen den ganzen Tag nur über Männer. Wenn ein cooler Typ kommt, wird die beste Freundin versetzt. So richtig solidarisch zeigen sie sich nicht. Das fand ich nervig, als ich die Serie wieder geguckt habe.
profil: Und Geldprobleme haben sie auch keine. Klengel: Carrie Bradshaw ist fucking Kolumnistin. Da bekommt man nicht viel.
profil: Am Ende von "Girlsplaining" geben Sie einige Empfehlungen in Sachen Literatur, Serien und Film, die Sie inspiriert haben. Haben Sie aktuell Vorbilder? Klengel: Ich lese die Kolumnen von Margarete Stokowski bei Spiegel Online (Oben und unten) sehr gerne. In der Literatur gefällt mir gerade die Autorin Gillian Flynn (Sharp Objects, Gone Girl) sehr gut.
Zum Buch Girlsplaining, 160 Seiten, farbig, 17 × 17 cm, Hardcover, Reprodukt, 2018
Zur Person Katja Klengel, geboren 1988 in Jena, lebt als Comiczeichnerin und Drehbuchautorin in Berlin. Auf ihrem Blog www.blattonisch-diary.blogspot.de veröffentlicht sie autobiographische Tagebuchcomics. Seit 2017 erscheint beim Online-Magazin Broadly ihre Comic-Kolumne Girlsplaining.