Soul-Sängerin Zelda Weber: Und jetzt raus hier
Manchmal ist die Welt so einfach wie ein Popsong. Dann braucht es nur einen richtigen Ton und das richtige Wort, um Liebe, Hass oder Trauer zu transportieren. Denn Gefühle sind nicht immer kompliziert, sagt Zelda Weber. Eher im Gegenteil. Die Sängerin hat eine Stimme wie ein kleines Wunder. Ein Soul-Organ, das sofort Besitz von denen ergreift, die ihr lauschen, die nach heute, gestern und morgen klingt und einen vor Glück und Schmerz zu Tränen rühren kann. Gleichzeitig. Aber wie klingt das? Nach Amy Winehouse oder Tori Amos, sagen die einen, nach Billie Holiday, meinen die anderen. Aber sind diese Vergleiche nicht unfair einer jungen Künstlerin gegenüber, die gerade ihr erstes Album veröffentlicht?
Café Malipop in Wien-Landstraße. Alte Konzertplakate, Filmposter, viel Patina und ein paar verstreute Gäste, die sich vor dem stürmischen Februarfrühling in Sicherheit bringen. Aus den Lautsprechern kracht Jazz vom Plattenspieler in ohrenbetäubender Lautstärke. Mittendrin Zelda Weber, 20, roter Lippenstift, rote Fingernägel und auf der Suche nach Antworten. Und nein, sagt sie, diese Weltstar-Vergleiche stören sie gar nicht. Warum auch? Immerhin höre die Künstlerin diese Leute selber gerne. Zelda Weber ist hier, um über ihr Debüt „Crude“ zu sprechen – obwohl: Zwei Alben, Fragmente aus Klavier und Gesang, hat sie bereits als Teenager in der Steiermark aufgenommen. Beim ersten Album war sie gerade 14 Jahre alt und hatte noch eine sehr kindliche Stimme, wie sie sagt. Diese Songsammlungen (aufgenommen im kleinen Studio ihres Gitarrenlehrers) gibt es bis heute nur auf selbstgebrannten CDs, erzählt sie – und auf Spotify würde sie die auch nicht stellen.
Ausgesucht hat sich Zelda Weber (die privat auch gerne Garagerock-Revival und deutschen Punk hört) ihre Musik nicht, die komme ganz von allein. Denn Soul, wie Weber ihn versteht, hat nichts Verkopftes wie mancher Jazz, erklärt sie zwischen dem Fotoshooting und dem ersten Getränk des Abends. Die Instrumente müssen nicht immer den perfekten Ton treffen, man „müsse nur ehrlich zu sich selbst sein“, zu den eigenen Vorlieben. Mit ihrer Band The Rosettes (die sie 2022 in Wien mit befreundeten Musikerinnen und Musikern gegründet hat) sucht sie vielmehr nach Berührungspunkten mit der Popmusik („Wir machen es, weil es gut klingt“); und sie zeigt in den zehn Songs, wie Soul anno 2023 klingen kann; Musik, die von Retro-Charme lebt, dabei aber geradewegs in die Zukunft blicken lässt.
Aufgewachsen ist die gebürtige Kölnerin in Burgau bei Fürstenfeld. Sie war damals die 1000. Einwohnerin der Gemeinde, zumindest wurde es ihr als Kind so erzählt. Ihre Eltern (die Mutter ist Kölnerin, der Vater Wiener) sind ein Künstlerpaar, das einst einen Atelierplatz gesucht hat; so zog die Familie von der Rheinmetropole kurzerhand in die steirische Provinz, in einen alten Gasthof. Von ihren Eltern hat sie mitbekommen, was alles möglich ist, wenn man sein Ding durchzieht. „Einen Bürojob haben wir alle nicht“, sagt sie lachend. Über einen Plan B denkt die junge Künstlerin genauso wenig nach wie über Statussymbole und falsche Heilsversprechen der Popmusik. Seit sie vor zwei Jahren nach Wien gezogen ist, lebt sie in einem WG-Zimmer mit der Gewissheit, sich auf nichts als ihre Musik konzentrieren zu können: „Mit einem Kompromiss fange ich nicht an.“
Das Singen – oder wie Zelda Weber sagt: „Herumträllern“ – war bei ihr immer schon da. Meistens habe ihr Vater auf der Gitarre gespielt, erzählt sie – und sie hat dazu gesungen. Ihre ersten eigenen Songs schrieb die Elfjährige schon auf dem Klavier, auch wenn sie selbst gern zur Gitarre greift. Und Musik (in Dauerschleife lief das Album „La vache qui pleure“ des kanadischen Singer-Songwriter-Geschwisterpaars Kate & Anna McGarrigle) wurde in der Familie, während des Pendelns zwischen Köln, Wien und der Steiermark, ohnehin immer gehört. Wann hat sie selbst gemerkt, was sie mit ihrer Stimme alles anstellen kann? „Ich fand nicht, dass ich gut singen kann“, meint sie heute lakonisch; sie sei eben ein sehr schüchternes Kind gewesen, und Musik war ihre Sprache, um sich ihre Gedanken von der Seele zu schreiben.
Gesungen hat sie indes stets auf Englisch. Auch das sei eine Barriere, eine Art Schutzschild geworden, um bestimmte Themen („Wenn ich über etwas reden muss, setze ich mich ans Klavier“) nicht zu nah an sich heranzulassen. Als Kunstfigur hat sie ihr musikalisches Ich indes nie gesehen, denn auf der Bühne fühle sie sich aufgehoben und ganz bei sich, meint sie, auch wenn sie gerne eine Extraschicht roten Lippenstift aufträgt, um sich für das Publikum zu wappnen.
Der älteste Song auf „Crude“ (das Album hat sie mit den Produzenten Bob Gutdeutsch und Patrick Pulsinger aufgenommen) heißt „Go!“ – und ist eine klassische Ermächtigungshymne, die Zelda Weber bereits mit 13 geschrieben hat. Für sie habe der Song mit dem Umzug nach Wien („Ich habe direkt nach der Mathe-Matura angefangen, ein Zimmer zu suchen“) noch einmal an Bedeutung gewonnen, erzählt sie. Sie sei geflohen aus einer Welt, aus der sie schon als Jugendliche wegwollte. Eine Welt, in der sie sich „als eine Art Fremdkörper“ gefühlt habe, als jemand, der „anders“ sei und dies auch vermittelt kriege. Geredet wird über dieses Gefühl des Nicht-dazu-Gehörens leider viel zu wenig, meint sie noch. Ihre Texte handeln daher auch von Einsamkeit und Wut – und man merkt im Gespräch, dass sie lieber ihre Lieder für sich sprechen lässt.
Live wird Zelda Weber ihr Debüt am 7. März im Wiener Radiokulturhaus vorstellen. Für sie eine Möglichkeit, nicht nur die Veröffentlichung zu feiern, sondern in die Zukunft zu denken. Immerhin schreibe sie bereits an neuen Songs. Und so möge es immer weitergehen.