Gelatin, Qu’ils mangent de la brioche, 2006 Farbfotografie, Plastilin, Holz
Kultur

Das Wiener MAK feiert: „The Fest. Zwischen Repräsentation und Aufruhr“

Die Großausstellung „The Fest. Zwischen Repräsentation und Aufruhr“ bietet einen prallen Parcours für Partytiger. Mancherorts franst sie jedoch aus.

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Dieses Gefäß muss man nur anschauen, um sich schon bekleckert zu fühlen: Sein oberer Rand sieht aus, als hätte ein ungeschickter Glasbläser versucht, Rüschen daraus zu formen. Daraus unfallfrei zu trinken, ist wohl unmöglich. Doch dafür waren die sogenannten „Scherzgläser“ des 17. und 18. Jahrhunderts ohnehin nicht gedacht. Sie dienten vor allem der Unterhaltung bei ausgedehnten Banketten.

Das gläserne Witzobjekt ist derzeit in der Ausstellung „The Fest. Zwischen Repräsentation und Aufruhr“ im Wiener Museum für Angewandte Kunst (MAK) zu besichtigen (Kuratorinnen: Brigitte Felderer, Olga Wukounig; bis 7. Mai 2023). Sie bietet einen prallen und lustvollen Parcours durch die Kunst- und Kulturgeschichte des Feierns und ist voll von skurrilen und aufsehenerregenden Exponaten; unter anderem zu besichtigen: ein Glas in Penisform mit dem schönen Namen „Kocktail“ (Kendell Geers), Fotos von Revuegirls, die sich als Stephansdom oder Rathaus verkleidet haben (Atelier d’Ora/Arthur Benda), Bilder von Künstlerfesten zwischen Secession und Kunstakademie sowie eine Bauernhochzeit aus Trachtenfiguren, gruppiert an gedeckten Tafeln und zum Tanz. Die insgesamt rund 650 Exponate stammen zu weiten Teilen aus der Sammlung des Museums, das als Kompetenzzentrum für künstlerische Ausstattung aller Art dazu aus dem Vollen schöpfen kann.

Die Schau bleibt nicht an der Oberfläche des Ästhetischen, sondern beleuchtet ihr Sujet auch unter gesellschaftspolitischen Aspekten. Kuratorin Felderer: „Das Fest ist existenziell, lässt uns unserer selbst vergewissern.“ Gleich zu Beginn geht es um kaiserliche Festzüge, wo der Hofstaat paradierte und damit seine Macht demonstrierte: Stiche und ein Festschlitten geben darüber Auskunft. Im zweiten Teil der Schau werden – im weitesten Sinn – politische Manifestationen auf ihren Party-Aspekt abgeklopft, von den Feiern zum 1. Mai bis zu Reclaim-the-Streets-Demos. All das entfaltet sich in einem abwechslungsreichen Display des Bildhauers Peter Sandbichler: Installative Skulpturen und ausgeklügelte Farbkonzepte vereinen die vielfältigen künstlerischen Medien – von Kupferstich und Kleiderapplikationen über Möbel und Malerei bis zu Filminstallation und Diashow.

Die große kuratorische Offenheit führt allerdings auch dazu, dass die Ausstellung mancherorts ins Beliebige ausfranst. So erscheinen zahlreiche Objekte inhaltlich etwas weit hergeholt, etwa die Outfits von Helmut Lang oder einige Kabinettschränke. Statt so manchem zwar hübschem, jedoch deplatziertem Exponat hätte man sich einen schärferen Fokus auf die hier abgehandelten Phänomene gewünscht.

Nina   Schedlmayer

Nina Schedlmayer