David Scheid alias Influencer Dave
Serie

David Scheid ist Influencer Dave: Der Volksschreck

Als Influencer Dave wurde der Wiener Kabarettist David Scheid zum Serien-Phänomen. Zwischen Polit-Satire und Anarcho-Humor zeigt er jetzt sein politisches Gewissen.

Drucken

Schriftgröße

Ein sommerlicher Herbsttag in Wien. David Scheid, türkiser Adidas-Jogginganzug, Vespa-Helm, Fliegerbrille, schlüpft in seine Paraderolle als Influencer Dave und lässt sich von einem Coach noch ein paar Sätze in Gebärdensprache beibringen. In der Wiener Rahlgasse, beim Top Kino, werden einige der letzten Szenen für die zweite Staffel der Anarcho-Serie „Dave“ (ab 7. November im ORF) gedreht. Passanten erkennen den 39-Jährigen mit dem wirren Vollbart und dem verschlafenen Gesicht, bleiben stehen, machen Fotos, drängen sich ins Bild.

Die Rolle des Möchtegern-Influencers Dave ist für David Scheid eine von vielen. Der Kabarettist, Schauspieler, DJ, FM4-Radiomoderator und Society-Reporter (für die Satireshow „Willkommen Österreich“) sieht sich selbst als Kleinkünstler. In seinem Soloprogramm, in dem er Stand-up und seine Leidenschaft für Musik und Turntables verbindet, wird es dann auch dezidiert politisch. „Da bin ich eindeutig und frontal“, erzählt er im Gespräch mit profil, weil er auch auf die Tagespolitik schnell reagieren möchte, „wenn es in mir hochkocht“. So geht es in seinem aktuellen Programm „Als die Welt noch eine Scheibe war“ auch um Freunderlwirtschaft, es werden ZiB 2-Interviews gesampelt und gegen Verschwörungsmythen gerappt. Ein typischer Scheid-Schmäh geht so: Aus Pferdegewieher und Sirenen sampelt er sich das neue Folgetonhorn der Wiener Polizei und singt über „berittene Ritter fürn’ Herbert“. 

Das Ende einer Reise: Dreh der zweiten Staffel von „Dave“ in der Wiener Rahlgasse

„Tschuschenfreund“ mit ausgeprägtem Gerechtigkeitssinn

Der Illusion, dass man mit Kunst etwas verändern könne, gibt er sich nicht hin. Einen ersten Schritt von der Bühne auf die Straße wagte er mit der Aktion „Kabarettist:innen for Future“, bei der neben Kollegen wie Robert Palfrader oder Martin Puntigam die Klimaprotestgruppe „Letzten Generation“ in Wien unterstützte, die mit ihren Autoblockaden das Land polarisiert. Dafür habe er auch viel negatives Feedback auf Social Media abbekommen, sagt Scheid. Er hat keine Angst, sein Publikum durch sein Engagement zu verschrecken. „Ich habe seit meiner Kindheit ein Autoritätsproblem und einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn.“ 

 „Ich feiere das, wenn Kulturkreise, Sprachen, Dialekte und Akzente miteinander verschmelzen.“

„In der Hauptschule wurde ich ‘Tschuschenfreund’ genannt“, erzählt Scheid über seine frühen Jugendjahre. „Und das taugt mir eigentlich.“ Heute würden ihn Außenstehende wohl als „linke Zecke“ bezeichnen, meint er und auch damit könne er gut leben. Die Politik sollte für die Gesellschaft arbeiten und nicht für die Wirtschaft, umreißt er sein Weltbild. Einer politischen Partei will er sich nicht verschreiben. Denn auch Oppositionsparteien wie die SPÖ wären nicht vor Korruption gefeit.

 

Wenn Gewalt zur Tagespolitik wird

Spricht man Scheid auf den beginnenden Wahlkampf an, auf den „Burger-Sager“ von Kanzler Nehammer oder die FPÖ, die sich Politikerinnen von der AfD einlädt, kann er sich richtig in Rage reden. Dass die Kanzlerpartei ÖVP seit Jahren in rechten Gewässern fische, meint er, hätte die FPÖ erst so stark werden lassen. Und sollte nach der nächsten Wahl eine FPÖ-Regierung kommen, meint Scheid, dann könnten Vorfälle wie die Schwitzkasten-Causa um den ORF-Satiriker Peter Klien zum Alltag werden. „Wenn Gewalt alltäglich wird, sind wir in ganz argen Gefilden.“

David Scheid alias Influencer Dave

Vom Landschaftsgärtner zum (Anti-)Influencer

Aufgewachsen ist David Scheid im Weinviertel. Sein Elternhaus, Alt-Hippies im besten Sinne, sei „super-alternativ“ gewesen und hätte ihn bei allen Vorhaben unterstützt, erzählt er. Seine Eltern schickten ihn, den geborenen Entertainer, schon als Jugendlichen auf die Schauspielschule. Nur ihm selbst fehlte das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten. Gelernt hat er lieber Landschaftsgärtner, hat sich nebenbei als DJ versucht und so ein Gespür für die unterschiedlichsten Menschen entwickelt: „Ich feiere das, wenn Kulturkreise, Sprachen, Dialekte und Akzente miteinander verschmelzen“, sagt er über seine Lehrjahre: „Mir hilft es, von unten zu kommen“, sagt er – und scheint froh, nicht von einer Schauspielschule glatt geschliffen worden zu sein. 

Eine Serie, bei der es um nichts geht

Szenenwechsel. Ende Juli 2023, Wien Landstraße. David Scheid und sein Kreativpartner, der TV-Autor, Produzent und „Dave“-Erfinder Jan Frankl („Tagespresse aktuell“), sitzen im Innenhof ihrer Agentur und erzählen von ihrer Vision. Müde Augen, viel Kaffee und Zigaretten, aufgekratzte Vorfreude auf die neuen Folgen. Erst im Frühjahr kam vom ORF das Okay für die zweite Staffel ihrer Serie „Dave“ (die erste Staffel hatte bis zu 150.000 Zuseher:innen pro Folge). Schreiben, Drehen, Organisieren. Jeder Tag zählt im straffen Terminkalender. Neu ist die Serienidee um die Abenteuer eines wohlstandsverwahrlosten Tunichtguts nicht, der ein erfolgreicher Influencer und Rapper werden möchte. Die ersten beiden Pilot-Folgen von „Dave“ wurden bereits 2018 gedreht; die Donnerstagnacht, die Experimentierschiene des ORF, war auf der Suche nach neuen, aufregenden Formaten für eine junge Zielgruppe. Und der große Wunsch von Autor Frankl war es, eine Serie zu machen, „in der es um nichts geht“. Heißt: Dave rennt herum, erlebt Alltagsabenteuer und ist dabei lustig. Einfach war das nicht, erzählt Scheid mit seinem typischen Kichern, denn ein roter Faden habe das Duo recht schnell eingeholt.

David Scheit mit seinem Kreativpartner Jan Frankl: Eine Serie, in der es um nichts geht.

Seit Scheid als Influencer Dave auch in der ORF-Satire-Talkshow „Willkommen Österreich“ von Dirk Stermann und Christoph Grissemann zu sehen ist, merke man, dass die Kunstfigur auch bei den 50- oder 60-Jährigen gut funktioniere, meint Frankl. Dass die Mockumentary so abgehoben ist, liege wohl daran, meint Scheid, dass hier klassisches TV mit Social-Media gekoppelt wird. Heißt: Immer wenn Dave (@influencer_dave) in der Serie etwas postet, können seine Fans das live miterleben. Und auch wenn es gerade keine neuen Folgen gibt, kommen jeden Tag unzählige Nachrichten, ergänzt Frankl: „Viele kennen ‘Dave’ auch nur von Instagram und wissen gar nicht, dass es die Serie gibt.“

Das personifizierte Prokrastinieren

Mit dieser Art von Comedy scheinen die beiden einen Nerv zu treffen: Vor allem in düsteren Zeiten, die von Kriegen, Krisen, von Themen wie Arbeitslosigkeit, Inflation und Pandemie dominiert sind, wird das Durch-das-Leben-Stolpern zur Überlebensstrategie. Bei „Dave“ kann man davon ausgehen, dass die Scherze stets auf die Kosten von ihm selbst gehen. „Er ist das personifizierte Prokrastinieren“, meint Scheid über seinen Antihelden, der vielen Menschen einiges an Alltagsstress nehmen würde. Das gilt auch für den Privatmenschen Scheid: Durch sein Alter Ego sei es ihm möglich, das innere Kind nochmal so richtig rauszulassen. „Und das ist extrem wichtig.“

Bleibt die Frage: Was darf Satire? Scheid hat dazu eine klare Meinung: Jede Minderheit darf in einem Witz vorkommen, aber die Pointe sollte nie auf Kosten einer marginalisierten Gruppe gehen, findet er. 

Scheid legt sich lieber mit denen da oben an. Wobei er eingesteht: „Ich habe schon immer wieder ärgste Skrupel, wenn wir auf einer Reportage unterwegs sind.“ Denn auch wenn jemand noch so überheblich oder „ein Ungustl“ ist, versuche Scheid stets das Gute in den Menschen zu sehen. Und manchmal, erzählt er, tue es ihm leid, „wenn ich so drüberfahre“. Auf der anderen Seite sei die „Rolle als Volksschreck“, wie er es nennt, enorm wichtig, um diese Seitenblicke-Events ein wenig aufzumischen und die Hautevolee „aus der schicken Bubble wachzurütteln“, wie er das nennt. Gut aufgenommen wird das Reporterteam bei den Events nicht immer. Bereits in der zweiten Reportage für „Willkommen Österreich“ gab es Stress mit Mausi Lugner und ihren Partygästen.

Dass seine Kunstfigur Influencer Dave „so steil geht“, die Leute so auf den schnoddrigen Typen mit dem zerzausten Vollbart und dem Englisch-Deutschen-Singsang (Stichwort: „Sheesh!“) abfahren, sich Fanshirts kaufen und ihn täglich auf Partys einladen, damit hat David Scheid wirklich nicht gerechnet. Der Personenkult erschrecke ihn manchmal: Viele Menschen hätten es immer noch nicht verstanden, dass er eine Rolle und in keiner Reality-TV-Show mitspiele, vor allem „wenn die Leute mich auf der Straße ansprechen und mit mir kiffen wollen“.

Philip Dulle

Philip Dulle

1983 in Kärnten geboren. Studium der Politikwissenschaft in Wien. Von 2009 bis 2024 Redakteur bei profil.