Debatte um die Angewandte: Das heftig kritisierte Duo Ubermorgen wehrt sich
Eine „Gegendarstellung“ nennen Liz Haas und Luzius Bernhard, die unter dem Namen Ubermorgen an der Wiener Universität für angewandte Kunst die Klasse für Digitale Kunst leiten, einen offenen Brief, der wenige Tage nach Veröffentlichung des letztwöchigen profil-Streitgesprächs mit Petra Schaper Rinkel, Rektorin der Angewandten, ausgesandt wurde. Dieser Brief ist eine Reaktion auf die vehemente Kritik, die etliche an der Klasse für Digitale Kunst Lehrende und Studierende an dem Duo Ubermorgen üben. profil hatte die Rektorin mit jenen Vorwürfen konfrontiert, diese hatte darauf unter anderem mit den Worten „Das ist entsetzlich“ geantwortet.
Haas und Bernhard weisen nun sämtliche Kritikpunkte weit von sich: „Man wirft uns vor, was nicht geschehen ist." Es habe weder „physische Angriffe“ noch „Zerstörung von Kunstwerken“ gegeben, man lehne Gewalt und Zerstörung ab, diese seien „das Werkzeug der Unterdrücker und das Mittel derer, die nichts schaffen können“. Ubermorgen seien „selbst Opfer von Mobbing" – genau deswegen, so schreiben sie, „lehnen wir jede Form der Aggression kategorisch ab.“ Die Behauptungen, die über Ubermorgen verbreitet worden seien (unter anderem in einem 26-seitigen Brief der Studierenden), seien „nichts als ein Ablenkungsmanöver“. Die Frage, wovon abgelenkt werden sollte (und wer ein Motiv für die Verbreitung von Unwahrheiten über sie habe), bleibt allerdings offen.
Die im profil-Interview auch behandelte Neurodiversität, die Haas und Bernhard in ihren Eigenaussagen selbst oft thematisieren, sei eine Realität, keine Performance. Neurodiversität sei keine „Rolle oder ein Kostüm, das man ablegt, sobald der Vorhang fällt.“ Es gebe keinen Vorhang, kein Ende dieser Realität. „Wir sind autistisch, sind neurodivers. Das ist kein ‚Label‘, das wir uns anheften, um interessant zu wirken. Wer diese schlichte Tatsache unserer Existenz infrage stellt, verkennt den Kern unserer Behinderung.“ Unterschiede bereicherten die Arbeit und das Verständnis von Inklusion, sie „erfordern Anerkennung, nicht Abwertung“.
Zudem kämpfe das Duo gegen Diskriminierung, „immer und überall“. Diversität, das werde „gerne vergessen“, sei kein modisches Wort, sondern „ein fundamentaler Wert, den wir mit jeder Faser unseres Schaffens verteidigen“. Auch die Vorstellung, Ubermorgen hätte inzwischen „zentrale Aufgaben“ abgegeben, entbehre jeglicher Grundlage. Man löse, im Gegenteil, „die Abteilung aus ihren verkrusteten, autoritären Strukturen heraus“, um sie zu einem Ort des „offenen, teamgeleiteten Schaffens zu machen. Das ist kein Rückzug, das ist ein notwendiger Schritt in die Zukunft. We are not stepping back, we are stepping up.“
Die Wahrheit, schreiben Haas und Bernhard noch, lasse sich nicht aufhalten, auch wenn sie durch ein „Konglomerat aus Missverständnissen und falschen Behauptungen“ schneide. Der Brief des umstrittenen Duos wird nun wohl Gegenstand weiterer Debatten an der Angewandten werden, auch weil viele der Ereignisse, die vor allem Studierende ihnen zur Last legen, ja vor etlichen Augen- und Ohrenzeugen stattgefunden haben müssen. Und die Wahrheit hat am Ende möglicherweise mehr Seiten als nur eine.