So viel Drive und Punch in einem Debüt sind selten
Es führt ein Weg ins Nirgendwo. „Von dort, wo der spitzeste Zahn der Karawanken in den Himmel hinauf fletscht“, versucht sich die Halbwüchsige an einer Wegbeschreibung, „sind es vielleicht 40 Kilometer zum Gratschbacher Hof.“ Auf den ersten Seiten von Julia Josts Debüt findet zweierlei statt: Es wird ein suggestiv-farbiger Ton gesetzt, der diesen Roman über eine Kärntner Landjugend in den 1990er-Jahren bis zum Ende hin trägt, wobei das Buch selbst seine überaus aparte Titelprosa aus der Orientierungshilfe bezieht: „Wo der spitzeste Zahn der Karawanken in den Himmel hinauf fletscht“.
Die Geschichte der juvenilen Ich-Erzählerin, die allein ihr Vornamensinitial J. ausplaudert, geht in Kurzform so: Im Sommer 1994 zieht ihre Familie vom Gratschbacher Hof nahe der slowenischen Grenze, einem Gehöft mit Gasthaus, Discoschuppen, Tennisplatz und Pfettendachgarage, nach Klosterberg (die Angaben im Roman sind manchmal fiktiv, manchmal real). J. kauert während des reichlich rummeligen Einpackens und Verladens unter einem der Transport-Lkw. Mit Augen groß wie Murmeln scannt sie eine Welt knieabwärts, die sich in ihrem Gedanken- und Geistesgegenwartsnotizbuch, das am Ende diesen Roman ergibt, als ein steter Strom von Assoziationen, Tagträumen, Erinnerungen abgebildet findet. Es geht um Selbstmorde, Todesfälle, Friseurbesuche, Sommerhits, Saufgelage, Messer mit „Meine Ehre heißt Treue“-Gravur und um Hochwürden, der ein herzhaftes „Holladireituldioh“ jodelt. Die schöne Weite der Dorf-Enge. „Die Gratschbacher Gegend ist ein Wald ohne Augen. Ohne Sträucher und Äste, die sich hinter deinem Rücken raschelnd zusammenbiegen, um die Todesangst vorzubereiten, die sie gleich in dir auslösen werden.“ Ihre Ideen und Bilder fliegen J. qua instinktivem Scharfsinn zu.