„Deutschland 83”: Exportware made in Germany
Die Stimmung bei der diesjährigen Berlinale war durchaus aufgekratzt. Verwunderte Festivalbesucher im Haus der Berliner Festspiele; erstaunte Journalisten beim After-Work-Bier im Foyer. Eine originelle Dramaserie von RTL? Und die soll auch noch gut sein?
Und ja, „Deutschland 83“ ist gut. Sogar sehr gut. Zwischen den Serien-Weltpremieren des „Breaking Bad“-Spin-offs „Better Call Saul“ (in Anwesenheit von Hauptdarsteller Bob Odenkirk) und der neuen dänischen Öko-Thriller-Serie „Follow the Money“ (von den gehypten „Borgen“-Machern) wurde „Deutschland 83“ durchaus prominent und passend positioniert.
Als Zuseher findet man sich im Clash zwischen Ost und West in einem inneren Konflikt wieder
Überraschend erscheint im Zusammenhang mit dem Stasi-Thriller nur, dass es gerade der nicht für sein Understatement bekannte Privatsender RTL geschafft hat, den deutschen Serienhit des Jahres zu produzieren. Und „Deutschland 83“ ist eine Serie, die es nicht nur mit der internationalen Konkurrenz aufnehmen kann („Spiegel Online“ spricht von „Homeland DDR“), sondern auch in die USA verkauft wurde. Seit Mitte Juni läuft die Serie (als Showrunner fungieren Anna und Jörg Winger; Regie führt Edward Berger) beim US-Kabelsender „Sundance TV“.
Man muss aber auch sagen: der deutsch-deutsche Grenzkonflikt passt als Setting perfekt als Exportware made in Germany. Ein junger NVA-Soldat (gespielt vom 24-jährigen Shootingstar Jonas Nay) wird als Stasi-Agent nach Westdeutschland geschleust. In der BRD soll der junge Mann nicht nur die nuklearen Planspiele des Westens ausspionieren, sondern in weiterer Folge auch sabotieren. Für den ambitionierten Soldaten geht es fortan um einen neuen Alltag in einer neuen Ideologie, aber auch um Loyalität und Überlebenskampf. Als Zuseher findet man sich im Clash zwischen Ost und West in einem inneren Konflikt wieder. Was bleibt, wenn die Fronten verschwimmen? Wenn aus Freunden Feinde und aus Feinden Freunde werden? Der drohende Nuklearkonflikt der 1980er-Jahre zeigt sich in „Deutschland 83” als Spiegelbild einer zerrissenen Gesellschaft, die zusammen gehört, aber erst Jahre später zusammenfinden wird.
Das achtteilige „RTL”-Epos könnte die deutsche Serienlandschaft nachhaltig verändern
„Deutschland 83“ macht also Mut: Wenn es der deutsche Serienmarkt nicht wieder schafft, eine Qualitätsserie durch falsche Sendeplätze und schlechte Vermarktung zu ruinieren (auch in Österreich könnte die smarte Serie funktionieren), könnte das achtteilige RTL-Epos die deutsche Serienlandschaft nachhaltig verändern.
Ansonsten drohen uns weitere Jahrzehnte todlangweiliger „Tatort“-Sonntage. Man wird noch hoffen dürfen.