Literatur

"Dicht" von Stefanie Sargnagel: Stadtbekannte Verrückte

Stefanie Sargnagel wagt mit ihrem autobiografischen Roman "Dicht" eine liebevolle Hommage an gesellschaftliche Randfiguren.

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"Tschocherln" sind Lokale, die sich zwar gern Café nennen, aber einen Latte macchiato bestellt hier ohnehin keiner. Es finden sich Stammgäste only ein: Man trifft sich zum Trinken. Es gibt aber auch sogenannte "Hittn", kleine Beisln, in denen das Bestellen eines Eistee Pfirsich das Codewort dafür ist, dass man Haschisch kaufen möchte.

Stefanie Sargnagels autobiografischer Roman "Dicht" ist ein Reiseführer ins Wien der 1990er-Jahre, in Lokale, in denen der Zigarettenrauch schwer in der Luft hängt-und Obdachlose wie Willi die mit Speichel vermengten Bierreste der Gäste leeren. Der Untertitel lautet "Aufzeichnungen einer Tagediebin", und genau darum geht es: Sargnagel beschreibt ihre Schulzeit, die sie als Qual erlebt. Ihr wahres Leben findet im Park statt, dort trinkt sie Dosenbier, trifft auf eine wilde Mischung aus Alkoholikern und sonstigen Außenseitern. "Stadtbekannte Verrückte",wie sie sagt.

"Dicht" ist Literatur von unten, aber ohne penetrant aufklärerischen Impetus, ohne plumpe Sozialkritik. Sargnagel liebt Sonderlinge, sie schaut nicht auf sie herunter, sondern hängt mit ihnen ab.


Nicht zuletzt ist das Buch aber eine Hommage an einen prägenden Menschen im Leben der Autorin: Der 2014 verstorbene "Aids Michi" ist ein schrulliger Alkoholiker, Kleinkrimineller und Flaneur, der mit beeindruckender Leichtigkeit und viel Wortwitz durchs Leben ging. Ein Künstler ohne Werk: Sargnagels Buch ist nämlich auch ein Faustschlag ins Gesicht der neoliberalen Welt, die Geld und Erfolg als einzig gültige Währung vorschreibt.

Einem neugierigen Hippie-Mädchen passieren aber nicht nur schöne Dinge, was hier nicht verschwiegen wird: von K.-o.-Tropfen im Drink bis zu einem Therapeuten, der ihr erklärt, dass sie mit ihrer Figur keine Schauspielerin werden kann. Am Heimweg sagt die Mutter der Heldin, eine Krankenschwester: "Wos wordn des für ein Oaschloch?"Sargnagels "Dicht" erzählt nämlich auch von Solidarität. Und davon, wie schön und zart die derbe Wiener Sprache sein kann.

Karin   Cerny

Karin Cerny