Autorin Maggie Nelson

"Die Argonauten": Subversive Kleinfamilie

Zur neuen Homo-Normativität: Die US-Autorin Maggie Nelson denkt in ihrem Buch "Die Argonauten“ erfrischend unkonventionell über Geschlechterbilder nach.

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Für den Kellner in einem überteuerten mexikanischen Restaurant ist die Situation eindeutig, schreibt die US-Autorin und Uni-Professorin Maggie Nelson, Jahrgang 1973, in ihrem autobiografischen Essay "Die Argonauten“: Vor ihm sitzt ein heterosexuelles Traumpaar, ein vollbärtiger muskulöser Typ, die Blondine an seiner Seite ist gerade schwanger. Die Innenperspektive sieht freilich anders aus. Harry Dodge wurde als Frau geboren, bezeichnet sich als "Butch auf Testosteron“ und möchte eigentlich weder Mann noch Frau sein. Während die Autorin die Transformation an ihrem Körper durch die Schwangerschaft auch theoretisch unter die Lupe nimmt, fragt sie sich, warum es so wenig vorurteilsfreie, kritische Literatur über Mutterschaft gibt.

"New York Times“-Bestseller

Nelsons 2015 in den USA erschienenes Buch ist ein "New York Times“-Bestseller geworden, wirbelt scheinbar feststehende Kriterien beeindruckend angstfrei durcheinander. Die Autorin beschäftigt die Frage, warum der einst so verheißungsvolle Begriff "queer“ so bieder und angepasst wurde. Sie schreibt über die neue Homonormativität, und plädiert für Geschlechteridentitäten, die in keine Schublade passen. Dabei berichtet sie einerseits radikal persönlich über ihre Sexualität und Schwangerschaft, andererseits fließen - ähnlich wie in den Romanen des deutschen Autors Thomas Meinecke - zahlreiche Zitate ein, die von Gendertheorie-Superstar Judith Butler über den britischen Kinderarzt Donald Winnicott bis zur französischen Deleuze-Kennerin Claire Parnet reichen. "Die Argonauten“ ist ein spannendes Plädoyer für Grauzonen.

Maggie Nelson: Die Argonauten. Aus dem Amerikanischen von Jan Wilm. Hanser Berlin. 192 S., EUR 20,60

Karin   Cerny

Karin Cerny