#2020

Best of Film 2020

Es war nicht alles schlecht: Die sehr subjektiven 2020er–Highlights der profil-Redaktion. (Im Bild: „I’m Thinking of Ending Things“)

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1. „I’m Thinking of Ending Things“ (Regie: Charlie Kaufman)

Beunruhigendes Existenzrätsel, zugleich ein Road – Movie, das sich quer durch die Zeit und ein winterlich – unwirtliches Amerika fräst: eine poetische Analyse der Problemfelder Beziehung, Familie und Alterung. Charlie Kaufmans erst vierte Regiearbeit in 30 Berufsjahren ist eine der seltenen Netflix – Produktionen, die auf konventionelles Erzählen gut verzichten kann.

2. „Über die Unendlichkeit“ (Regie: Roy Andersson)

Und noch eine Exkursion ins Zwischenreich der Menschen – und also Zombieforschung: Der schwedische Meistermelancholiker Andersson führt in außerordentlich artifiziellen Bildern vor, wie fehlbar, exzellent und lächerlich wir alle sind.

3. „The Assistant“ (Regie: Kitty Green)

Sexuelle Ausbeutung und männliche Machtspiele im Filmproduktionsbüro, gesehen aus der Perspektive einer jungen, zwischen Anpassung und Auflehnung schwankenden Assistentin: präzises Protokoll der Arbeitsabläufe in einem verrotteten Kinokulturbetrieb, inspiriert vom Fall Weinstein, aber auf diesen keineswegs beschränkt.

4. „Never Rarely Sometimes Always“ (Regie: Eliza Hittman)

Ein introvertiertes Mädchen macht sich, begleitet von seiner Cousine, auf die Reise nach New York, um heimlich abzutreiben. Eine Virtuosin des gegenwärtigen US – Independentfilms zeigt ihre hohe Inszenierungsklasse.

5. „Le Daim“ (Regie: Quentin Dupieux)

Eine teure Fransenlederjacke nimmt Kontakt zu ihrem durchgedrehten Besitzer auf. Sie will die Einzige für ihn bleiben. Französische Killerkomödie der bizarrsten Art.

6. „Bacurau“ (Regie: Kleber Mendonça Filho, Juliano Dornelles)

Die Reichen kommen, um euch zur Strecke zu bringen. Mit eurer Gegenwehr rechnen sie indes nicht. Dörfliche Folklore – und Splatter – Dystopie aus Brasilien, mit (grob geschätzt) tausend ungeahnten Wendungen.

7. „Exil“ (Regie: Visar Morino)

Der Pharmaingenieur aus dem Kosovo fühlt sich systematisch benachteiligt. Deutsche Psychostudie zum Zusammenhang von sozialer Ächtung und ungesund wachsender Paranoia.

8. „Zombi Child“ (Regie: Bertrand Bonello)

Die untoten Ausläufer des Kolonialismus: Voodoo – Arthouse – Fantasy aus Frankreich.

9. „This Must Be Heaven“ (Regie: Elia Suleiman)

Filigraner Slapstick: Ein palästinensischer Filmemacher denkt über Israel, sein Metier und das Erbe Jacques Tatis nach.

10. „Undine“ (Regie: Christian Petzold)

Tödliche Unterwasserliebe, Stadtforschung und Mythospflege in hauchzartem Melodramenfrost. Die Berliner Schule ist von Schließungen weiterhin nicht bedroht.

Stefan   Grissemann

Stefan Grissemann

leitet seit 2002 das Kulturressort des profil. Freut sich über befremdliche Kunst, anstrengende Musik und waghalsige Filme.