Als Autorin sind ihr Mord und Machenschaft nicht fremd. Ihr Buchhändlerinnen-Credo lautet anders, fast spiegelverkehrt. „Wir wollen eine von den freundlichen Buchhandlungen sein“, sagt Hartlieb, die gern und viel redet, deren Satzenden oft in einem hellen Lachen ertrinken. „Wir beraten Vielleser genauso wie all jene, die in ihrem Sommerurlaub ein Buch pro Jahr lesen wollen. Die alte Dame, die einen Ratgeber braucht, weil ihr Dackel Kreuzschmerzen hat, wird genauso gut behandelt wie der Herr Oberstudienrat, der sich eine ‚Zauberberg‘-Ausgabe mit Goldschnitt zulegen möchte.“ Vor Petra Hartlieb sind alle Lesenden gleich.
In „Meine wundervolle Buchhandlung“ schreibt sie: „Ich bin ein öffentlicher Mensch. Ich habe keine Sprechstunden oder Bürozeiten, niemand muss sich anmelden, zwischen neun und 18 Uhr bin ich im Laden und für alle zu sprechen.“ Die Buchhandlung selbst, sagt sie, umgeben von Hunderten Regalmetern Lesestoff, sei ein kuratierter Raum. „Hier stehen ja nicht beliebig irgendwelche Bücher herum!“
Dazu eine Geschichte. Eines Tages knallte ein Kunde Hartlieb eines ihrer eigenen Bücher auf die Verkaufstheke, begleitet vom Kommentar: „Das Cover ist ja ganz nett, aber kann das auch was? Oder steht nur Blödsinn drin?“ Der kleine Disput ist längst ausgeräumt, der einstige Zuwiderling heute Stammgast. Ein bisschen Psychotherapeutin, bekennt die Literaturverkäuferin, das sei sie zuweilen auch. „Über das Vehikel Buch lässt es sich vortrefflich übers Leben reden.“ Und immer auch über die Gegenwart. „Wir leben bekanntlich in herausfordernden Zeiten. Viele Kundinnen und Kunden verlangen deshalb etwas ‚Nettes‘ zum Lesen. Ich muss sie dann zwangsläufig enttäuschen. 250 Romanseiten sind schwerlich damit zu füllen, wie zwei sich kennenlernen, ein Haus bauen, Kinder bekommen, ein Auto kaufen und irgendwann in Pension gehen.“
Und das Dauerthema Buchhandelskrise? „Während der Pandemie wurden wahnsinnig viele Bücher gekauft, was nicht darüber hinwegtäuschen soll, dass die Umsätze seit Jahren kontinuierlich zurückgehen.“ Ohne das alljährliche Weihnachtsgeschäft gäbe es hierzulande kaum noch einen stationären Buchhandel. „Würden alle in Österreich erstandenen Bücher in örtlichen Läden gekauft, hätten wir jedoch keine Probleme. Das Problem ist der große A.“ Der große A ist seit Jahren Hartliebs liebstes Reizthema. A wie ein bestimmter rückwärtiger Körperteil – beziehungsweise wie der Name einer globalen US-Online-Warenhauskette. „Seit Jahren predige ich, dass es überhaupt keinen Grund dafür gibt, Bücher bei Amazon zu bestellen, die man nicht auch im lokalen Handel kaufen könnte, wobei hinter vielen Online-Bestellungen selten böse Absicht, sondern oft Gedankenlosigkeit steckt. Die Bücher landen neben den neuen Staubsaugerbeuteln und dem sensitiven Rasierschaum im Warenkorb.“
Alarmmeldungen
Hartlieb wird als Buchhändlerin und Autorin weiterhin ihre Geschichten erzählen und verkaufen, trotz der ständigen Alarmmeldungen über stagnierende Umsätze und explodierende Nebenkosten. 2023 wurden laut Börsenverein des Deutschen Buchhandels 60.230 Erstauflagen produziert – 2019 waren es noch rund 10.000 Titel mehr. Österreichweit sank laut Wirtschaftskammer die Zahl der Gewerbeberechtigungen im Buchhandel von 2010 bis 2022 von knapp über 1900 auf 1400; im Vorjahr verzeichnete der heimische Buchmarkt ein Absatzminus von 3,6 Prozent, in den Buchhandlungen von 4,9 Prozent.
„Als wir vor 20 Jahren in der Bank einen Kredit für den Laden aufnahmen, wurde uns der baldige Untergang prophezeit“, erinnert sich Hartlieb. „Mein Vater schlug die Hände über dem Kopf zusammen! Erst kamen die großen Buchhandelsketten, dann Amazon, später die E-Books – und wieder dachten alle, dass dies nun das Ende des Abendlandes sei. Zuletzt befeuerte Corona die Angst, dass der Buchhandel nun endgültig aussterben wird.“ Das Buch, laut Petra Hartlieb die „beste Erfindung überhaupt“, ist nicht totzukriegen. Sie hält trotzig daran fest.
Petra Hartlieb: Freunderlwirtschaft.
Dumont. 414 S.,
EUR 18,50