Porträt

Die Bücherhalterin

Petra Hartlieb ist seit 20 Jahren Buchhändlerin in Wien. Nebenher schreibt sie Bestseller und trotzt fröhlich der übermächtigen Online-Konkurrenz.

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Bisweilen ersetzen angeknabberte Salatblätter ein Fünf-Gang-Menü. Als Petra Hartlieb eines Abends in einem Wiener Lokal neben T. C. Boyle saß, ihrem Literaturhelden seit Jahren, bot ihr der US-Romancier die Reste seines gemischten Salats an. Er sei satt, erklärte Boyle, und könne einfach kein Essen verschwenden. Hartlieb griff beherzt zu.

Es trifft sich gut, dass die Buchhändlerin und Bestsellerautorin ein besonderes Faible für Geschichten und fürs Geschichtenerzählen hat – wahlweise eingepackt in überbordende Darlegungen oder drollige Anekdoten wie jener von der Restsalatgötterspeise.

Hartlieb, 56, führt seit 20 Jahren gemeinsam mit ihrem Ehemann Oliver die Wiener Buchhandlung „Hartliebs Bücher“. Man darf Petra Hartlieb bedingungslos glauben, dass eine Buchhandlung auch immer eine Art Großgenerator von Geschichten sei, die sie wiederum mit viel Lust an der hohen Kunst der Déformation professionnelle weitererzählt: Die Veränderung der Persönlichkeit, die mit dem Ausüben ihres Berufs einhergeht, ist bei Hartlieb nicht zu übersehen und schon gar nicht zu überlesen.

Freunderlwirtschaft

Vor zehn Jahren hat sie mit ihrem Memoir „Meine wundervolle Buchhandlung“, einer Sammlung zahlloser Geschichten über ihren Laden in der Wiener Währinger Straße, das inzwischen boomende Genre Buchhändlerinnenbücher begründet. Kürzlich fragte die deutsche Tageszeitung „Die Welt“ spitz, ob „an all dem wirklich Petra Hartlieb schuld“ sei. „Meine wundervolle Buchhandlung“ hält mittlerweile bei einer Auflage von 80.000 verkauften Exemplaren und acht Übersetzungen.

Daneben hat Hartlieb einen zweiwöchigen Literaturpodcast, sie hat Kinder- und Weihnachtsbücher sowie Krimis geschrieben, von denen soeben ihr jüngster erschienen ist. „Freunderlwirtschaft“ ist eine sehr österreichische Geschichte über einen glattrasierten Bundeskanzler in Slim-Fit-Anzug und eine Leiche in der Wiener Josefstadt geworden.

Wolfgang   Paterno

Wolfgang Paterno

ist seit 2005 profil-Redakteur.