Pop

Die Lärmdesignerin: Kim Gordons wagemutiges neues Album

Als Frontfrau des New Yorker Indierock-Monuments Sonic Youth wurde Kim Gordon in den 1980er-Jahren berühmt. Ihr zweites Soloalbum führt die Künstlerin nun in die zerklüfteten Gebirge des Post-HipHop.

Drucken

Schriftgröße

Die abwegige Schönheit des organisierten musikalischen Lärms zelebrierte sie schon als junge Frau. Verzerrung, Feedback und Dissonanz liegen ihren Kompositionen zugrunde. Das Abweisende der Klänge, die sie bis heute herstellt, hält sie für „realistisch“, dem Leben entsprechend.

Im März 1982 erschien die Debüt-EP der New Yorker Band Sonic Youth auf dem Label des Komponisten Glenn Branca; es enthielt fünf Musikstücke zwischen Post-Punk und No Wave, dunkel, transparent und rhythmusgetrieben. In der Dankesliste: die deutsche Künstlerin Isa Genzken und der kanadische Fotovisionär Jeff Wall. Am Schlagzeug bei Sonic Youth saß damals Richard Edson, zeitgleich spielte er schon in Jim Jarmuschs lakonischem Kinoklassiker „Stranger Than Paradise“ mit.

Als der erste Sonic-Youth-Tonträger die Welt erreichte, war Kim Gordon 28 und New Yorks East Village die neue Wahlheimat der in Kalifornien sozialisierten Kunststudentin und Musikerin. Über drei Jahrzehnte hinweg hielten Sonic Youth sich im Sattel und alles Kommerzialisierungsdenken auf Distanz. Meisterwerke wie „Daydream Nation“ (1988) und irrwitzige Avantgarde-Alben wie „Goodbye 20th Century“ (1999) sicherten die Reputation der Band. In New York kann man inzwischen sogar touristische Sonic-Youth-Walks buchen, die in die Schauplätze, die Apartments und Proberäume der legendären Band führen.

Allein unter Männern

Neben dem Gitarristen Thurston Moore war die Bassistin stets das kühle Vokalzentrum der Band, allein unter Männern, in einem frauenskeptischen Business. Kim Gordons tiefe, unverwechselbare Stimme tätowierte sich in die Hirne aller Menschen, die sich in den letzten beiden Dekaden des 20. Jahrhunderts mit populärer Musik initiieren ließen. 2011 zerbrachen Sonic Youth, parallel zur Trennung des Ehepaars Gordon/Moore. Ihre gemeinsame Tochter, Coco Gordon Moore, ist inzwischen fast 30, als Dichterin, Model und New Yorker It-Girl ist sie am Sprung zur Berühmtheit ihrer Eltern.

Stefan   Grissemann

Stefan Grissemann

leitet seit 2002 das Kulturressort des profil. Freut sich über befremdliche Kunst, anstrengende Musik und waghalsige Filme.