Standrechtliche Erschießung durch ein SS- oder SD-Kommando an einem unbekannten Ort, undatiertes Foto
Literatur

„Abführen, aufhängen!“ – Niederösterreichs letzte Tage in der NS-Zeit

In den letzten Tagen des Zweiten Weltkrieges fand in Niederösterreich eine barbarische Mordserie durch NS-Schergen statt. Der Schriftsteller Martin Prinz erzählt davon in seinem neuen Roman „Die letzten Tage“.

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Am Ende standen Mord und Barbarei. Das Semmeringgebiet in Niederösterreich, April und Anfang Mai 1945. Die Sowjetarmee rückte auf den Bezirk vor, während Wehrmachtsverbände neue Verteidigungslinien errichteten. Hinter der Front beriefen versprengte Nazi-Schergen willkürliche Standgerichte ein, die selbst der obszönen NS-Judikatur widersprachen. Es waren Gerichtstage um Leben und Tod, fanatische Menschenhatz.

Der Leichnam des ehemaligen Gendarmen Oskar Wammerl wurde nach dessen Hinrichtung am 14. April 1945 öffentlich zur Schau gestellt, versehen mit der Schmähschrift „Ich war ein fahnenflüchtiges Schwein“. Tagelang blieb die Leiche hängen. Der Rauchfangkehrer Alfons Stärk aus Ternitz wurde, nachdem er von einer Volkssturmtruppe aufgegriffen worden war, ohne jeden Beweis zum Tode verurteilt. Der Strick um den Hals des Angeklagten Ignaz Sommer war bei dessen Todesstrafe am 23. April zu lang, worauf der anwesende NS-Kreisorganisationsleiter die Pistole zog und einen Genickschuss abgab. Zuvor wurde Sommer gefragt, ob er einen letzten Wunsch habe. „Grüßen Sie Frau und Kind, die wissen, wie unschuldig ich bin!“ – „Abführen, aufhängen!“

Wolfgang Paterno

Wolfgang Paterno

ist seit 2005 profil-Redakteur.