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Donaufestival in Krems: Alles nur geklaut

Das am Freitag startende Donaufestival in Krems serviert erneut, an sechs Spieltagen, hochklassige Live-Musik und Theorie zu aktuellen Debatten.

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Mit "Stealing the Stolen" hat Donaufestival-Chef Thomas Edlinger seine diesjährige Ausgabe überschrieben. Die bange Frage, wo der als neokolonial abgestrafte "kulturelle Diebstahl", wo also die "Ausbeutung" beginnt - wenn man etwa Dreadlocks trägt, ohne über den Ausweis einer jamaikanischen Herkunft zu verfügen, oder wenn man als weiße Musikerin Soul und Blues spielen mag-,diese Frage fungiert als Ausgangspunkt des Kremser Theorieprogramms 2022. An zwei langen Wochenenden soll möglichst unvoreingenommen über das gegenwärtig wild umfehdete Thema der cultural appropriation nachgedacht werden - und selbstredend auch praktisch vorgeführt werden, wie tief Sampling und Anspielungen auf das stilistisch Nichteigene in der Popkultur seit je verwurzelt sind, ja sogar sein müssen. Wenn nicht plagiiert, sondern variiert wird, gibt es keinen Grund zur Klage. Wenigstens theoretisch.

Mit dem Begriff der "Gegenaneignung" soll am heurigen Donaufestival das kulturelle Besitzdenken sanft exorziert werden. Der deutsche Musiker Fehler Kuti etwa bezieht sich schon in seinem heiteren Künstlernamen auf die nigerianische Afrobeat-Legende Fela Kuti. In Performances, Installationen, Filmvorführungen und Diskussionsveranstaltungen wird das Motiv der kulturellen Inbesitznahme weiter detailliert. Der aus Tel Aviv stammende, in Berlin lebende Künstler Ariel Efraim Ashbel beispielsweise wird in einer theatralen Auftragsarbeit namens "Fire Walk With Me" in der Kremser Dominikanerkirche an den letzten beiden Festivaltagen mit einer Menge kreativer Friends auf David Lynchs gleichnamigen Film anspielen - in einer auf sechs Stunden angelegten Performance.

Im traditionellen Dschungel des Konzertaufgebots stechen der kalifornische Ambient-und Tape-Loop-Minimalist William Basinski, die große Wiener Songkünstlerin Soap&Skin, die beim Donaufestival übrigens exklusiv Coverversionen präsentieren wird, sowie der britische Klangmelancholiker The Caretaker hervor; aber auch Acts wie die Savages-Vokalistin Jehnny Beth, die venezolanische Autotune-Visionärin Arca oder das US-Hip-Hop-Duo Shabazz Palaces wecken Vorfreude. Die Anreise empfiehlt sich.

Donaufestival Krems: 29. April bis 8. Mai.

Stefan   Grissemann

Stefan Grissemann

leitet seit 2002 das Kulturressort des profil. Freut sich über befremdliche Kunst, anstrengende Musik und waghalsige Filme.