Kultur

Donaufestival Krems: Avantgarde & High-Tech

Das Donaufestival steht inhaltlich und ästhetisch in maximaler Opposition zur neuen niederösterreichischen Landesregierung: Es ist international, dissonant, künstlerisch heterogen, ethnisch und sexuell vielfältig.

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Die Abgrenzung nach rechts ist beim Donaufestival explizit. Das neue Regierungsübereinkommen zwischen ÖVP und FPÖ in Niederösterreich nehme man „mit größter Irritation und Sorge zur Kenntnis“, heißt es auf der Website des Festivals. Denn es stehe in klarem Widerspruch „zu unseren politischen und moralischen Überzeugungen“. Im Programm des Donaufestivals hätten „Menschenfeindlichkeit, Deutschtümelei und Diskriminierung keinen Platz“. Man werde daher auch weiterhin „all jenen eine Stimme und ein Forum geben, die für den Ausbau demokratischer Lebensverhältnisse in einer komplexen Welt eintreten“.
Fürs Erste: genug gesagt. Denn akute Gefahren sieht Thomas Edlinger, künstlerischer Leiter des Donaufestivals, wenigstens vorläufig nicht. „Bislang hat sich nichts verändert. Unsere Ansprechpartnerin ist weiterhin Johanna Mikl-Leitner, die Ebene der Verantwortlichkeit ist also stabil, und es gibt die glaubhafte Zusicherung, dass der Kurs einer liberalen Kulturpolitik beibehalten werden soll. Unsere Budgets sind mittelfristig offenbar gesichert.“ Der Etat des Donaufestivals 2023 beträgt knapp 1,8 Millionen Euro; 1,3 Millionen davon (rund 73 Prozent) kommen vom Land Niederösterreich, 130.000 Euro von der Stadt Krems, 210.000 Euro aus dem Bundes-Kulturministerium. Der Rest sind Eigenmittel und Ticketerlöse.

Donaufestival-Geschäftsführer Klaus Moser teilt auf profil-Anfrage mit, dass Landeshauptfrau Mikl-Leitner bei einem Termin mit allen Betrieben der NÖKU-Holding klare Signale der Beibehaltung der weltoffenen Kulturpolitik in Niederösterreich ausgesendet habe. Die Vielfalt der Kultur inklusive zeitgenössischer Formate wie das Donaufestival soll erhalten bleiben. Die NÖKU-Holding, so Moser, gehe davon aus, dass die Budgets bis 2025 abgesichert sind.

Frohbotschaften hat das Donaufestival, auch abseits der Landespolitik, dennoch nicht in petto: „Beyond Human“ heißt das diesjährige Motto – und es hat Dringlichkeit. Denn der Mensch beginnt den Maschinen, die er produziert, unweigerlich immer mehr zu ähneln (oder diese ihm, je nach Sichtweise), da wächst zusammen, was einst nicht zusammengehört hat. „Ich würde unser Thema per se weder utopisch noch dystopisch sehen“, meint Edlinger, „es ist eher eine Bestandsaufnahme, die aktuelle Veränderungen von Maßstäben zur Kenntnis nimmt. Das Leben wird sich ändern. Die Grenzen zwischen Natur und Technik werden weiter verschwimmen, Körper mit Implantaten in immer höherem Maß durchmischt. Das alles findet statt.“

Seine sechstägige, auf zwei lange Wochenenden verteilte Veranstaltung (28.-30.4. und 5.-7.5.) wird jedoch nicht in erster Linie um Technologie kreisen: „Wir sind kein Medienkunstfestival“, sagt Edlinger. „Aber Künstliche Intelligenz spielt in immer mehr künstlerischen Praktiken eine fast schon selbstverständliche Rolle. Das gilt es zu berücksichtigen.“

Das Trans- und Posthumane wird nicht zum ersten Mal am Donaufestival thematisiert. Das Verhältnis zu künstlichen und „günstigen“ (also leist- und handhabbaren) Intelligenzen beschäftige das Festival länger schon. Festivalchef Edlinger spricht von einer „doppelten narzisstischen Kränkung und Relativierung dessen, was man den Menschen nennt – einerseits durch das, was die immer höhere Vergleichbarkeit mit Tieren betrifft, andererseits in der Konkurrenz durch die Maschinen.“

Die Bedeutung einer KI liege aber „in ihrem Gebrauch“, meint Edlinger. „Wenn sie Operationen so ausführen kann, dass es so aussieht, als hätte sie ein Bewusstsein, dann ist es gar nicht mehr wichtig zu bestimmen, ob sie eines hat." Und Künstliche Intelligenzen sind ja schon überall am Werk, in jedem Auto und jeder App. "Sie haben bereits Großes geleistet, etwa in der Gesundheitsvorsorge und der Covid-Impfstoffentwicklung. Big Data kann inzwischen ausrechnen, wann genau der nächste Influenza-Ausbruch kommen wird – aufgrund der Google-Einträge zu den Arzneimitteln.“ In Sachen innovativer Technik komme es eben sehr darauf an, wer sie wozu benutzt. „Gehirnströme können mittlerweile Maschinen bewegen, werden aber zugleich eben auch über Computerprogramme manipulierbar.“

Das Donaufestival ist eine heterogene Angelegenheit, nicht alles muss zum Thema passen. „Wir gehen da nicht sklavisch vor. Vor allem in der Musik ist dieses Leitmotiv natürlich nicht für alle gleichermaßen relevant oder gar bindend.“ Aber der konzeptuelle Musiker Daniel Bachman etwa ist nah dran, er arbeitet mit field recordings, die von der Klimakrise in den USA zeugen, er operiert mit den Sounds von Buschbränden und Regenfluten, die er mit Folk-Improvisationen verwebt. Dazu passt beispielsweise Oliver Resslers Installation in der Kunsthalle Krems: Sie trägt den Titel „Climate Feedback Loops“. Im Performance-Bereich entspricht vor allem die Gruppe Toxic Temple mit ihrer sarkastischen Anbetung des Gifts, des Plastikmülls und Technoschrotts dem Generalthema.

Die allgegenwärtige Rede von der „Rettung der Menschheit“ nennt Edlinger übrigens „entpolitisierend“. Denn man müsse die Fragen konkreter stellen: „Welcher Öl-Konzern beutet welche nigerianischen Rohstoffe aus? Wer leidet wo unter welchen Umweltschäden? Und wer kann sich davon freikaufen?“ Die Menschheit als Einheit sei eine Abstraktion, denn „die Menschen sitzen eben nicht im selben Boot – die einen sitzen im Luxusliner, die anderen in sinkenden Nussschalen am Mittelmeer." Die Menschheit, stellt Edlinger noch fest, "gibt es ohne Konflikte und Diversität nicht“.

Das Donaufestival beginnt morgen, es gibt noch Tagespässe für alle sechs Spieltage.

Stefan   Grissemann

Stefan Grissemann

leitet seit 2002 das Kulturressort des profil. Freut sich über befremdliche Kunst, anstrengende Musik und waghalsige Filme.