Ein Berüchtigter

Teodor Currentzis in Wien

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Alle wollen ihn, das Wiener Konzerthaus hat ihn: Der Dirigent Teodor Currentzis, Grieche mit russischem Pass, ist Artist-in-Residence für die laufende Saison. Der 44-Jährige ging eigenwillige Wege, von Beginn an. Nach dem Studium bei der Lehrerlegende Ilya Musin in St. Petersburg suchte er sein Glück nicht im Westen, er blieb in Russland. Sein präferiertes Repertoire ist nicht die Klassik, sondern alte und zeitgenössische Musik. Gefördert von Schlüsselspielern des Musikbetriebs wie Gerard Mortier, der sich stets für Exzentriker begeisterte, wusste er seine Auftritte im Westen zu beschränken. Seine Aura steigerte das nur, in Novosibirsk, wo er von 2004 bis 2010 die Oper leitete, baute er parallel ein Ensemble für Alte Musik auf.

Currentzis und sein Orchester wurden spätestens mit ihren packenden, vokal superben Einspielungen des Mozart-Requiems sowie mit Purcells "Dido und Aeneas" weltweit berühmt. Heute residieren sie kurz vor dem Ural, in der ehemals verbotenen Stadt Perm, inzwischen ein Mekka für Liebhaber außergewöhnlicher Musik. Hier hat Currentzis unter optimalen Bedingungen in einem ihm zur Verfügung gestellten Theater Mozarts drei Da-Ponte-Opern aufgenommen. In Kürze erscheint bei Sony als Trilogie-Finale der "Don Giovanni". Die Barfuß-Geigerin Patricia Kopatchinskaja liebt er, ebenso die schrille Sopranistin Simone Kermes. Ersprießlich ist auch seine Zusammenarbeit mit US-Regisseur Peter Sellars: Zusammen werden sie nächstes Jahr die Salzburger Festspiele mit Mozarts "La Clemenza di Tito" eröffnen.

Zugleich ist Currentzis berüchtigt. Seine Proben ziehen sich über Stunden, bis in die Nacht, er verbeißt sich in einzelne Takte. Seine wolkigen Interviews verunklaren gern mehr, als sie klären. In seinem Ruheraum in Perm, vollgestopft mit dunklen Möbeln, bunten Teppichen und roten Seidentapeten, scheint er wie ein oligarchischer Ludwig II. zu residieren. Ans Pult tritt er gern mit Zöpfchen, die seine schwarze Haarfülle über dem bleichen, schmalen Gesicht bändigen: eine Mischung aus Dandy und Exzentriker, Oscar Wilde, Graf Dracula und Nick Cave, wie sie die Klassikszene lange nicht gesehen hat. Nach Currentzis' gefeiertem Wien-Auftakt mit seinem MusicAeterna-Ensemble ist er nun am 3. und 4. Oktober mit der Camerata Salzburg zu erleben; sechs weitere Auftritte, auch mit den Wiener Symphonikern, werden folgen.