Quer durch Großbritannien: Timothy Spall als einsam Reisender in "The Last Bus"

Endlandpartie: Romantische Männer, abwesende Geliebte

Zwei neue Kinofilme suchen die Empfindsamkeit, verirren sich aber im Labyrinth der Secondhand-Emotionen.

Drucken

Schriftgröße

Ein Bauernsohn wagt den Aufstand, weigert sich, den Hof des Patriarchen zu übernehmen. Lieber lebt er allein, hoch oben in den Bergen, und träumt für immer von der Frau, in die er sich, ohne Aussicht auf Erfolg, verliebt hat. 40 Jahre verbringt er im menschenfernen Alpenparadies, dann macht ihm seine Krankheit einen Strich durch die Rechnung. Mit "Märzengrund" versucht der Salzburger Filmemacher Adrian Goiginger den Überraschungserfolg, den er mit seinem autobiografischen Drama "Die beste aller Welten" (2017) erzielen konnte, zu wiederholen. "Eine Zillertaler Einsiedlergeschichte" nennt Goiginger selbst seinen Film, den er nach einem Stück von Felix Mitterer inszeniert hat, das seinerseits auf einer wahren Geschichte beruht. Johannes Krisch spielt den siechen, gealterten Elias, Newcomer Jakob Mader den jungen. Verena Altenberger ist die im Dorf verachtete, flüchtige Frau, die Elias kaum kennenlernen kann und die bald nur noch in seinen Visionen erscheint.

Eine Zeit lang folgt man diesem Bauerndrama trotz der klischeeseligen Inszenierung mit einer gewissen Sympathie. Im zweiten Teil aber dreht Goiginger die Affektmaschine derart über Gebühr auf, dass ihm der Film unter den Händen zerfällt: Gerti Drassl muss als Elias' verbitterte Mama mit Grusel-Make-up wiederkehren, und Krisch gebärdet sich wie ein inhaftiertes wildes Tier. Keine Spur mehr von dem zarten, übersensiblen Buben, der er einmal gewesen sein soll.

Aus jungen Männern werden alte, das Leben geht so schnell dahin. Die Natur ist widrig und doch so beeindruckend. Auch hier: Ein alter Mann namens Tom unternimmt, zu Ehren seiner verstorbenen Frau, eine akribisch geplante Busreise von der nordöstlichsten Spitze Schottlands bis nach Land's End, in den äußersten Südwesten Großbritanniens – 1350 Kilometer entfernt. Er benutzt dazu ausnahmslos Lokalbusse. Es ist eine Pilgerreise, Tom hat sie seiner Frau versprochen. "The Last Bus" heißt der Film bescheiden, der davon erzählt (der deutsche Verleih hat sich offenbar an dem Erfolgstitel "Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand" orientiert und das Werk allen Ernstes "Der Engländer, der in den Bus stieg und bis ans Ende der Welt fuhr" genannt).

Der englische Charakterdarsteller Timothy Spall, bekannt aus den Filmen Mike Leighs, spielt hier einen 90-Jährigen. Zum Zeitpunkt des Drehs war Spall 63, trotzdem nimmt man ihm das alles ab: Tom ist ein Reisender mit tief herabgezogenen Mundwinkeln, die Augen meist zu Schlitzen verengt – und doch alles andere als ein knurriger Alter. Er ist ein Menschenfreund und Kindersympathisant, ein sanfter, schwerkranker Mann auf Erinnerungstrip an die Schauplätze seiner jungen Ehe, deren Glück in Rückblenden immer wieder aufflackert.

"The Last Bus" ist ein Roadmovie der üblichen Logik: Der einsame Held macht Zufallsbekanntschaften, erlebt Turbulenzen, gibt seine Weisheit an die Menschheit weiter. Er ist körperlich schwach, aber durchsetzungsfähig, legt sich mit Rassisten und anderen Vollidioten an, entkommt dem Spitalsbett, gerät in eine freundliche ukrainische Party. Das alles ist sehr thesenhaft arrangiert und erstaunlich frei von originellen Ideen – und die anheimelnd dahindudelnde Kammermusik – und Sentimentalpop-Tapete ist in den Farben selbstvergessener Kitschmalerei gehalten. Die Botschaften, die der schottische Regisseur Gillies MacKinnon streut, sind deutlich: Toleranz, Solidarität, Zivilcourage und Liebe. Das ist menschlich einwandfrei, für einen anregenden Kinoabend nur leider nicht sonderlich geeignet.