Erwin Steinhauer: "Krise ist immer."

Erwin Steinhauer: "Kabarett war nie mein Plan"

In seinem neuen Programm verbindet Erwin Steinhauer Lieder von Hermann Leopoldi mit Klezmer. profil hat mit dem Schauspieler über Krisenzeiten, berufliche Alternativen und Wiener Kellner gesprochen.

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profil: Wie kamen Sie auf die Idee Hermann Leopoldi neu zu interpretieren? Erwin Steinhauer: Das erste Mal kam ich 1974 mit den Liedern von Hermann Leopoldi in Kontakt, als ich mit meiner damaligen Kabarettgruppe „Keif“ einen Text über den Bauring-Skandal geschrieben habe. Irgendwann kamen wir dann auf die Idee, uns Hermann Leopoldi näher anzusehen. Von seinem Sohn, Ronald Leopoldi, habe ich eine zweibändige Gesamtausgabe geschenkt bekommen. Da hat die Arbeit dann so richtig begonnen.

profil: Wie kam es zur Zusammenarbeit mit „Klezmer Reloaded“? Steinhauer: Die beiden Musiker von Klezmer Reloaded, Maciej Golebiowski und Alexander Shevchenko, fand ich schon länger faszinierend. Sie sind ein hochgradiges Jazz-Duo. Ich habe ihnen die Kompositionen von Leopoldi vorgelegt, und sie haben diese mit Klezmer verbunden. Lustigerweise hatte ich den Gedanken, Leopoldi mit Klezmer zu vertonen, als Erster. Dabei hieß Hermann Leopoldi eigentlich Hersch Kohn. Wenn der nichts mit Klezmer zu tun hat, wer sonst?

Es gibt Texte, die verdammt gut sind, aber schrecklich gespielt.

profil: Was verbindet Sie mit Hermann Leopoldi? Steinhauer: Die Freude am Beruf. Wenn er am Klavier saß konnte man spüren wie gerne er seinen Job gemacht hat. Wenn ich meinen Musikern zuhöre, versetzt mich das in ein Glücksgefühl. Da kann ich nicht ruhig sitzen bleiben. Bei Wiener Kellnern kann man das oft nicht sagen. Die machen ihren Job nicht gerne und behandeln einen dann wie den letzten Dreck.

profil: Welche Bedeutung hatte Leopoldi für die österreichische Kabarett- und Musikszene? Steinhauer: Es gibt wenige, die wichtiger gewesen wären als er. Man darf nicht vergessen, dass Georg Kreisler und Gerhard Bronner ohne Leopoldi nicht vorstellbar gewesen wären. Nur ist ihm geglückt, was die beiden nicht geschafft haben: Er wurde schon zu Lebzeiten ein Klassiker.

profil: Sie sind Schauspieler und Kabarettist. Steinhauer: Nein. Ich habe mich immer als Kabarettdarsteller gesehen, weil ich mir hauptsächlich die Texte meiner Freunde, mit denen ich zusammengearbeitet habe, angeeignet habe. Die Leute, die sich Texte ausdenken, haben oft formale Schwächen. Es gibt Texte, die verdammt gut sind, aber schrecklich gespielt. Mit liebem Gruß an meine Kollegen.

In unserem Beruf kann es sehr schwierig sein, in Würde zu altern.

profil: Dem Kabarett kommt besonders in Krisenzeiten eine große Bedeutung zu. Aktuell blüht die Kabarettszene auf. Woran liegt das? Steinhauer: Krise ist immer. In den 1970er-Jahren war es die internationale Krise. Es ging um Chile, Pinochet und die Schweinebucht. Allerdings gab es damals noch sogenannte „Vaterfiguren“ in der Politik, die Vorbildcharakter hatten. Schaut man sich heute Live-Mitschnitte von Übertragungen aus dem Parlament an, steigt einem die Schamesröte ins Gesicht. Wenn diese Menschen das Spiegelbild der Bevölkerung sind, dann Gute Nacht!

profil: Früher haben Sie hauptsächlich als Kabarettdarsteller gearbeitet, heute sind Sie viel mehr als Schauspieler beschäftigt. Wie kam der Wandel? Steinhauer: Der Wandel war eine Erfüllung, weil das Kabarett nie mein Plan war. Ich habe es benutzt um in den Beruf hineinzuwachsen, und war dementsprechend froh, als ich nach acht Jahren für das Burgtheater engagiert wurde. Meine erste Rolle war die des Trompeters in „Wallenstein“.

profil: Haben Sie ein schauspielerisches Vorbild? Steinhauer: Im Film begeistert mich Gene Hackman wegen der Klugheit mit der er seine Rollen auswählt. In unserem Beruf kann es sehr schwierig sein, in Würde zu altern. Man darf sich nicht beugen sondern muss in Verantwortung auch verschiedene Rollen ablehnen. Hackman hat immer wahnsinnig gut ausgewählt.

Wir müssen wieder lernen zu schreiben, zu lesen und miteinander zu reden.

profil: Ist es heutzutage leichter als Schauspieler oder Kabarettist Fuß zu fassen? Steinhauer: Für meine Generation war der erste Schritt schwierig. Anfang der Siebziger gab es kaum Auftrittsmöglichkeiten. Mein Vorteil war, dass ich ins Fernsehgeschäft hineingerutscht bin und Serien machen konnte. Damals gab es weder Kabel- noch Satellitenfernsehen. Wenn man bei einer Serie mitgespielt hat, wurde man im Schnitt von drei Millionen Menschen gesehen – für Österreich eine unvorstellbare Zahl. Für die Jugend gibt es heute viele Kleinkunstbühnen, die den Anfang erleichtern. Dafür ist es heutzutage viel schwieriger durchzukommen.

profil: Welchen Beruf würden Sie heute ausüben, wenn Ihnen der Durchbruch nicht gelungen wäre? Steinhauer: Buchhändler. Das wäre ein Beruf für mich: Keine Computer, kein Kindle, sondern Bücher mit echten Seiten. Im Idealfall hätte ich dann auch keine Kundschaft und könnte den ganzen Tag im Geschäft sitzen und lesen. Das wäre herrlich!

profil: Welchen Rat geben Sie der heutigen Jugend? Steinhauer: Wichtig sind Skepsis, „Nein“ sagen, genau hinschauen und sich diesem Wahn, die gesamte Kommunikation über das Smartphone zu machen, zu entziehen. Wir müssen wieder lernen zu schreiben, zu lesen und miteinander zu reden. Die Qualität des persönlichen Gesprächs darf nicht verloren gehen.

INFOBOX Das Album zum Programm von Erwin Steinhauer & Klezmer Reloaded Extended (Hermann Leopoldi: "Ich bin ein Durchschnitts-Wiener", Mandelbaum Verlag, 24,90€) wurde am 22. November 2015 im Wiener Metropol präsentiert.