Filmkritik: "Luis Trenker - Der schmale Grat der Wahrheit"
Die eskapistische Stimmung, die in Wolfgang Murnbergers Luis-Trenker-Film eingangs beschworen wird, mag ironisch gemeint sein; der historischen Wirklichkeit kommt man mit falschen Idyllen aber nicht näher: Tobias Moretti sitzt da unter freiem Himmel an der Schreibmaschine, umspielt von Bar- und Fahrstuhlmusik, als wär’s ein Stück aus dem "Bergdoktor“; er träumt von den imaginären Fußbädern, die Hitler sich dereinst von seiner Eva verabreichen ließ. Der Krieg hat gerade erst geendet, aber Luis Trenker arbeitet bereits fleißig an der Fälschung der Tagebücher Eva Brauns, um der Welt eine Sensation aus finsteren Tagen zu bieten und einen neuen Filmauftrag an Land zu ziehen.
"So ein Krieg, meine lieben Freunde“, plaudert Moretti mit Südtiroler Klangfarbe aus dem Off, sei mit dem Waffenstillstand nicht zu Ende, nein, er hänge "jahrelang wie eine dunkle Wolke noch über einem“. Aber da müsse man sich eben sagen, "jetzt isch wieder guat, jetzt vergisst man die ganzen furchtbaren Geschichten, diese furchtbare dunkle Zeit und schaut wieder nach vorn“. Also steigt er in sein Auto und reist 1948 "zum Kohner Paul“, dem berühmten Hollywoodagenten, den er noch von früher kennt, zu den Filmfestspielen nach Venedig, um dort sein Braun-Projekt unter Dach und Fach zu bringen.
Leni und Luis
Rückblende: Südtirol 1924. Die junge Leni Riefenstahl (Brigitte Hobmeier) macht sich an den feschen Luis heran; sie ist ambitioniert und autonom, holt sich, was sie kriegen kann. Der Bergfex Trenker hängt in der Steilwand, buhlt populistisch um die Aufmerksamkeit seiner Jünger. Joseph Goebbels weint wenig später im Filmvorführraum, gerührt vom Trenker’schen Leinwandpathos. So plätschert dieser Film in den Seichtgebieten privater Affären und verlogener Machtspiele, von Naziterror keine Spur. Weh tut sich hier niemand. Kritischer Geist war gestern.
Auch wenn "Luis Trenker - Der schmale Grat der Wahrheit“ ab 27. August in den hiesigen Kinos läuft: Als Fernsehprojekt, als Koproduktion von ORF und Bayerischem Rundfunk entstand dieser Film, und das kann man ihm leider ansehen. Er bietet Geschichte im Schnellvorlauf, jedes Bild sieht blitzblank aus, digital hochdruckgereinigt; die Akteure stecken in Kostümen und rezitieren, durch Dekorationen wandelnd, papierene Texte; ein Gefühl für real gelebtes Leben stellt sich dabei nicht ein. Moretti murmelt sich durch Trenkers charakterliche Ambivalenz, während Hobmeier gar keine Chance hat, aus Riefenstahl eine nennenswerte Figur zu machen. Der feige Trenker fällt trotz Parteimitgliedschaft in Ungnade, nur Riefenstahl sitzt furchtlos noch am Schneidetisch, als die Alliierten anrücken: "Ich habe immer nur für meine Kunst gelebt“, darf sie sagen. Und Luis Trenker kann auch Jahre nach Kriegsende zwischen "Heil“ und "Grüßgott“ noch nicht recht unterscheiden.
Das Grundrauschen der Komödie durchzieht diesen Film. Auf die Idee, das Komische in Trenker zu entdecken, kann man kommen, wenn man etwa TV-Aufzeichnungen des um 1960 aus seinem Leben (vor 1938 und nach 1945) erzählenden Haudegens betrachtet, dem da etwas latent Louis-de-Funès-haftes eigen ist. Aber die Frage bleibt, wie lustig die Anpassungsleistung an ein Terrorregime dargestellt sein muss, um im Fernsehen bestehen zu können. Und Drehbuchautor Peter Probst unternimmt allerlei seltsame Manöver, unterstellt etwa ausgerechnet Regisseur Arnold Fanck (gespielt von dem deutlich zu alten André Jung) Widerstandsgeist, obwohl dieser als NSDAP-Mitglied später ähnlich opportunistisch handelte wie Trenker.