Filmwirtschaft: Die Mühsal von Dreharbeiten nach dem Lockdown

Die österreichische Filmszene nimmt ihre Dreharbeiten wieder auf, geschützt durch Haftungsfonds und Sicherheitsregeln. Die Planungsunsicherheit in der Branche ist dennoch hoch - und kann fatale Konsequenzen haben.

Drucken

Schriftgröße

Ein Comeback bedeutet üblicherweise die Rückkehr zu altem Glanz und Ruhm. Davon kann nicht die Rede sein bei der "Wiedergeburt", die der österreichische Film nach dem Willen der Branche und der zuständigen Politik demnächst erleben soll. Das "Comeback", mit dem das 19-seitige Papier überschrieben ist, das Wirtschafts- und Kulturministerium "im Einvernehmen mit dem Finanzministerium" verfasst haben, ist eine Übertreibung. Denn an den derzeit unternommenen Versuchen, den Kinoherstellungsbetrieb wiederaufzunehmen, ist kein revolutionärer Neustart festzustellen, nur ein fast verzweifeltes Herantasten an die kurzfristig verlorengegangene Möglichkeit, Laufbilder zu produzieren. Es ist eine Reanimation unter denkbar widrigen Bedingungen.

Das Papier der Regierung formuliert eine "Sonderrichtlinie" und sieht dafür einen mit 25 Millionen Euro dotierten Fonds vor. Er ist als Rettungsmaßnahme vorgesehen: Kino-und TV-Produktionsunternehmen, die aufgrund des Corona-Lockdowns laufende Filmprojekte ab-oder unterbrechen mussten, sollen monetär aufgefangen, existenzbedrohende Verluste ersetzt werden. Die Frage, wie schnell und welche Hilfe geleistet werden kann, bleibt allerdings offen. Roland Teichmann, als Chef des Österreichischen Filminstituts (ÖFI) der wichtigste Kinoförderer des Landes, erklärt im profil-Gespräch, dass diese Richtlinien "in sehr kurzer Zeit erstellt werden mussten". Die Materie sei aber "so komplex, dass die neuen Zuschussregelungen kaum alle Fälle in der Praxis sinnvoll erfassen werden. Da gibt es einigen Interpretationsspielraum."

Fonds als reine Ausfallshaftung

Pandemien werden im Filmbereich von Versicherungen grundsätzlich nicht abgedeckt. So habe kein seriöser Produzent anfangs ans Drehen denken können, so Teichmann, "weil er ohne versicherungsrechtlichen Schutz das Risiko von Infektionen am Set, von Ausfällen und Mehrkosten hätte tragen müssen. Und das ginge bei einem Spielfilm in die Millionen." Vom Grundsatz her ist der Fonds, den die Republik der Filmszene nun offeriert, eine reine Ausfallshaftung, auch rückwirkend: Sie gilt ab 16. März 2020 - und bis Ende 2021. Sämtliche Kosten müssen detailliert belegt als Förder- und Finanzierungsbank der Republik diese zusätzlichen Förderungen nun abwickeln wird. Wirtschaftsprüfer werden penibel forschen müssen: werden, versicherungstechnisch sei das "sehr diffizil", so Teichmann. Das Ministerium bedient sich daher der Austria Wirtschaftsservice Gesellschaft (aws), die Was an Mehrkosten ist aus dem Shutdown entstanden - und was hatte andere Gründe? Die Einbußen durch das Drehen mit Testungen, Maskenpflicht und Distanzregeln fallen nicht in diese Sonderregelung.

25 Millionen sind (für knapp zwei Jahre) nicht viel, umgelegt auf eine Branche, die jährlich mit rund 145 Millionen Euro an Produktionsgeldern hantiert. Auch für die aws sind das Peanuts: Sie vergibt jährlich rund eine Milliarde Euro an Finanzierungsleistungen an Österreichs Wirtschaft. Teichmann betrachtet die Summe an Filmhilfsmitteln pragmatisch: Sie sei "als Erstmaßnahme ausreichend", biete "zunächst guten Spielraum. Sollte ein zweiter Lockdown passieren, müsste man die Summe natürlich neu evaluieren."

Neun Kinoproduktionen waren Mitte März vom Shutdown kalt erwischt worden. Zu den unterbrochenen Projekten zählen "Sonne", das von Ulrich Seidl produzierte Spielfilmdebüt der für ihre verqueren Kurzfilme bekannten jungen Künstlerin Kurdwin Ayub über muslimische Teenager in Wien, und die FreibeuterFilm-Produktion "Große Freiheit", inszeniert von Sebastian Meise, der nach seinem Doppelschlag mit dem Spielfilm "Stillleben" (2011) und der Doku "Outing" (2012) nun in die Kino-Arena zurückkehrt. "Große Freiheit" erzählt eine historische Leidensgeschichte: Ein schwuler Mann gerät seiner sexuellen Orientierung wegen erst in die Fänge des NS-Terrors, dann in die Mühlen des Nachkriegs-Strafvollzugs. Franz Rogowski spielt die Hauptrolle, Georg Friedrich seinen Geliebten.

In der Mehrzahl waren die Projekte, die unterbrochen werden mussten, aber  dokumentarischer Natur: Constantin Wulffs "Public Value -Der Wert der Arbeit", produziert von Navigator Film, wurde ebenso wie die Skischul-Doku "Stams" (Regie: Bernhard Braunstein, Produktion: Panamafilm) unsanft aus dem Workflow gerissen. Produzentin Lixi Frank: "Wir haben noch fast ein Drittel des Drehs offen, wollen ihn im Winter/Frühling 2020/21 wiederaufnehmen, in der Hoffnung, dass es dann keine großen Corona-Einschränkungen mehr gibt." Produktionstechnisch bedeute dies eine enorme Verlängerung des Projekts, "ohne dass sich das Budget erhöht". Es sei allein "unser Risiko, wenn ein Projekt länger dauert". Für die Verwertung bedeute die Drehverschiebung, "dass wir den Film erst ein Jahr später bei Festivals einreichen oder im Kino starten können".

"Alle tragen Maske und halten penibel Abstand"

Johannes Rosenberger, Produzent bei Navigator Film, stellt in Bezug auf die Arbeiterkammer-Doku "Public Value" jedoch fest, dass es für einen Dokumentarfilm in gewisser Weise auch eine Art von "Glück" sei, wenn sich während der Dreharbeiten etwas so Unvorhergesehenes wie ein Lockdown ereigne. "Gerade bei diesem Film, in dessen Zentrum das Thema Arbeit steht, gehören der Shutdown und seine wirtschaftlichen wie sozialen Folgen unmittelbar zu unserem Thema. Denn für die ArbeiternehmerInnen hat die Krise massive Konsequenzen: Insolvenzen, Kündigungen, Kurzarbeit. Jetzt tauchen vor unserer Kamera all die Themen auf, die uns über die nächsten Jahre beschäftigen werden." Als Dokumentarfilmemacher "konnten wir den Lockdown nicht ignorieren; er muss, weil er Teil der Wirklichkeit ist, dokumentiert und integriert werden". Mehrkosten seien allerdings entstanden, denn man hatte viele Szenen und Handlungsstränge bereits vorbereitet oder gedreht, die nun nicht mehr verwendbar sind. Die dokumentarische Arbeitsweise sei "prinzipiell weniger aufwendig", sagt Rosenberger noch. "Man ist meist mit minimalem Team unterwegs: Regie, Kamera, Ton. Das ist es schon. Alle tragen Maske und halten penibel Abstand."

Tatsächlich geht es aber nicht nur um Abbruch und Wiederaufnahme von Dreharbeiten. Denn jede Filmproduktion benötigt Monate der Vorbereitungszeit. Eine gigantische Maschine wird in der Vorproduktion angeworfen, sobald sie läuft, werden Kosten produziert. Der Frühling ist die klassische Vorbereitungszeit für Dreharbeiten im Sommer. Genau da hat die Krise voll hineingeschlagen - und alle Pläne über den Haufen geworfen. Und Verschiebungen fordern in der Regel nicht nur immense Mehrkosten, sie werfen auch ungeahnte Probleme mit der Verfügbarkeit des nötigen Personals auf.

Die Regisseurin und Produzentin Veronika Franz etwa ist gegenwärtig "sehr deprimiert". Sie bereitet seit zwei Jahren einen großen historischen Horrorfilm vor, geschrieben und inszeniert gemeinsam mit Severin Fiala, deutsch-österreichisch koproduziert von der Seidl-Film: "Des Teufels Bad" wird nun nicht wie vorgesehen im Herbst entstehen. "Wir sind, obwohl wir noch gar nicht angefangen haben zu drehen, ein Corona-Kollateralschaden", berichtet Franz. Die Schauspielerin Valerie Pachner, die als Hauptdarstellerin vorgesehen war, hätte im Frühling in einem US-Film auftreten sollen, neben Jude Law und Johnny Depp. Der Film wäre im August abgedreht und Pachner frei gewesen. Nun wurde der Film von Warner Bros. leider in den September verschoben - genau in die Zeit, in der Franz und Fiala drehen wollten. Pachner muss sich in Hollywood zur Verfügung halten. "Insofern haben wir plötzlich keine Hauptdarstellerin mehr. Dafür kann niemand etwas, aber kein Fonds erklärt sich für so etwas zuständig. Denn wir hatten unseren Dreh ja nicht abbrechen müssen. Es könnte nun sein, dass wir den Film um ein Jahr verschieben müssen - eine Katastrophe für die Produktionsfirma, die ja mit den Fördersummen heuer gerechnet hatte, ebenso wie für uns als Autoren und Regiekräfte, die wir dadurch fast zwei Jahre lang nichts verdient haben werden." Der neue Rettungsschirm greift also, wie man an diesem Beispiel sieht, keineswegs flächendeckend.

"Dabei lief alles bestens", sagt Veronika Franz: "Die Kostüme sind in Arbeit, das Casting ist in vollem Gang, und wir haben unser Hauptmotiv gefunden. Dann kam die Nachricht, dass Pachner nicht verfügbar sein wird. Und es ist leider nicht ganz leicht, aus Österreich in Hollywood Druck zu machen." So musste schnell gehandelt, der Herbstdreh verschoben werden. "Wir versuchen noch, das Drehbuch auf Winter zu adaptieren. Aber der Film kreist stark um bäuerliche Arbeit, um die Ernte. Diesen Stoff in den Winter zu legen, wo bekanntlich wenig Landwirtschaft stattfindet, ist halt schwierig."

"Gewaltiges Cashflow-Problem"

Wenn man ein großes historisches Projekt wie "Des Teufels Bad" um Monate verschieben müsse, "dann ist das für eine Produktionsfirma ein gewaltiges Cashflow-Problem, fügt Regisseur und Produzent Ulrich Seidl im profil-Interview hinzu: "Im Fall von ,Sonne' ist das anders: Da mussten wir die Dreharbeiten unterbrechen. Wir wollen sie im Juli wiederaufnehmen; die massiven Mehrkosten muss der neue Haftungsfonds tragen. Wir haben im Winter mit dem Dreh begonnen, nun ist es Sommer. Und einer der Darsteller ist nicht mehr verfügbar. Vieles bereits Gedrehte ist unverwendbar geworden." Seidls eigener Film (Arbeitstitel: "Böse Spiele"), den er gerne in Cannes 2021 sehen würde, war immerhin punktgenau abgedreht: "Das war ein Glücksfall. Ich hatte unmittelbar vor dem Shutdown noch einen letzten Nachdrehtag gehabt."

Es finde gerade "ein großes Geschiebe und Gezerre" statt, konstatiert die Produzentin Viktoria Salcher (Prisma Film)."Es gibt jede Menge ausfinanzierte Projekte, die jetzt oder demnächst gemacht werden müssen, wenn man nach den umsatzfreien Corona-Monaten als Produktionsunternehmen überleben und weiterkommen will. Und der ORF braucht Programm." Die Domino-Effekte seien enorm: "Bei Fachkräften sind die Verschiebungsengpässe extrem. Produktionsleiter oder Szenenbildnerinnen könnten im Moment, glaube ich, jeden Tag ein neues Projekt annehmen. Man wird für vier Filme gleichzeitig angefragt, aber keiner davon hat einen fixierten Drehtermin, weil so viele Unwägbarkeiten und Zusagen abzuwarten sind."

Zudem sind die "Comeback"-Vorschriften für Drehteams streng: Die Produzentenverbände haben unter Führung des TV-Producers John Lüftner ein Modell ausgearbeitet, das am Set drei Zonen vorsieht, in denen sich jeweils nur Teile des Teams aufhalten dürfen. Zudem seien regelmäßige Virustests für Menschen vor der Kamera Pflicht. ÖFI-Direktor Teichmann scheint das Comeback-Papier "sehr auf Nummer sicher zu gehen, es wirkt ausgeklügelt, geht ins Detail, ist komplex. Es kam ja aus der Branche selbst, in Kooperation mit einem Mediziner. Ich gehe also davon aus, dass es auch machbar ist."


Veronika Franz betrachtet das Drei-Zonen-Modell ironisch: "Es sieht ja vor allem vor, dass zum innersten Kreis, wo die Regie sitzt, nur sehr wenige Leute Zutritt haben. Das finde ich persönlich hervorragend, denn mir stehen eh immer zu viele Leute in meiner unmittelbaren Nähe herum", lacht sie. Sie erachtet die neuen Regeln eher nur "als Empfehlungen, denn allgemeingültige Vorschriften kann man nicht machen; der eine Film spielt in einer Gemeindebauwohnung, der andere im Wald. Dafür können nicht dieselben Gesetze gelten." Viktoria Salcher plädiert für die Einhaltung der Regeln: "Tests, Masken, Distanz sind ab sofort Vorschrift, dem wird sich niemand entziehen können, weil andernfalls an einem Set alle in Gefahr wären. Und niemand weiß, wie es mit diesem Virus weitergehen wird. Die Schauspielkräfte sind am wenigsten geschützt. Schon deshalb muss man sich an die Regeln halten."

"Es gibt kein gesichert virenfreies Set"

Gabriele Kranzelbinder, Geschäftsführerin der Filmproduktion KGP, freut sich indes nicht auf das Drehen in der neuen Normalität: "Das wird sehr mühsam werden. Ich glaube auch, dass im künstlerischen Prozess, der das Persönliche und Direkte braucht, einiges verloren zu gehen droht. Als Filmherstellerinnen sind wir da massiv angreifbar. Wenn man die neuen Regeln Punkt für Punkt beherzigt, beschädigt man möglicherweise sein Werk. Wenn man den Vorschriften nicht akribisch folgt, kann man im Schadensfall voll zur Verantwortung gezogen werden." Auch Ulrich Seidl befürchtet, "dass ein Übermaß an Distanz- und Hygieneregeln die Kreativität beeinträchtigen wird. Insbesondere abseits filmischer Fließbandprodukte. Bei Filmen, die künstlerischen Freiraum brauchen, sind solche Verordnungen schwierig." Der Produzent Alexander Glehr (Film AG) kann darin kein Problem erkennen: "Ich sehe die größte Gefahr darin, dass man das Virus zu unterschätzen beginnt und die Regeln beim Drehen nicht mehr beachtet. Wir können aber keine Bedingungen schaffen, unter denen es ausgeschlossen wäre, sich zu infizieren. Es gibt kein gesichert virenfreies Set. Man muss als Filmmitarbeiter wissen, dass es -wie im Supermarkt - eine geringe, aber reale Ansteckungsgefahr gibt."

Wie das Zonenmodell kontrolliert werden soll, ist ungeklärt. Das werde "kaum möglich sein", meint Teichmann. Aber die neue Verordnung ist auch mehr als ein Appell an die Eigenverantwortung: "Gerade bei einem so komplexen Gewerk wie einer Filmproduktion wird eine Dokumentation dessen, was am Set passiert, nötig sein. Wenn sich jemand während des Drehs infiziert, wird die Frage auftauchen, ob man eh alle Regeln eingehalten habe. Wo ist die Dokumentation dazu? Wurde regelmäßig getestet? Wo sind die Testergebnisse? War ein Gesundheitsbeauftragter am Set? Wie sah es mit dem Catering aus? Es wird schwarz auf weiß zu belegen sein, dass man die Vereinbarungen eingehalten hat. Die Behauptung, alles getan zu haben, wird zu wenig sein, um den Staat in Haftung gehen zu lassen."

Die Befürchtung, ein Bürokratie-Alptraum warte nun auf die krisenerschütterte Filmbranche, ist nicht ganz unberechtigt. Seidl sagt lakonisch: "Die Projekte werden in der Reihenfolge ihres Einlangens behandelt. Die Prüfung des Antrags dauert unbestimmte Zeit, und bezahlt wird erst nach Drehschluss. Worauf kann ich mich da also verlassen? Auf sehr wenig. Werde ich alle Mehrkosten refundiert bekommen? Insofern wird der Dreh auch von der Frage beeinflusst, wie stark ich mich als Produzent verschulden kann oder will."

Es gehe eben um Steuergeld, hält Teichmann dagegen, "das wird naturgemäß nicht fraglos aus dem Fenster geworfen. Dass es da präzise Förderungskontrollen geben muss, ist klar. In Österreich wurde aber, auch im internationalen Vergleich, schnell reagiert. Es ist normal, dass die Bewertung der Anträge und aller Details ein bisschen dauern wird, dass eine gewisse Bürokratie mobilisiert werden muss. Ginge das alles schnell und automatisch, wäre es wohl auch unseriös."

Allerdings ist gerade im Kinogeschäft auch die globale Situation zu bedenken: Da scheine die Corona-Krise "als Superkatalysator" zu wirken, meint Alexander Glehr: "Sie wird möglicherweise die schon davor rückläufigen Kinobesucherzahlen noch massiv beschleunigen. Die Finanzierung unserer aktuellen Koproduktionen hat sich schwierig gestaltet, weil die Verleiher derzeit extrem defensiv sind. Weil sie auch nicht wissen, wie viele Menschen im Herbst in die Kinos gehen werden. Der nächste James-Bond- Film, der im Herbst weltweit starten soll, wird diesbezüglich zum Gradmesser werden." Diese Krise habe "einen spürbaren Impact auf die Systematik, wie wir Filme finanzieren. In Deutschland reduzieren sich die großen Verleihfirmen gerade massiv. Man wird erst in einem Jahr wissen, wie stark die Schadenswirkung des Lockdowns tatsächlich war." Zudem ist im Falle internationaler Koproduktionen bis dato nur der österreichische Förderanteil durch Ausfallszuschüsse abgesichert. In Deutschland etwa bastelt man unter Hochdruck noch an einer Lösung.

Zwischen Juli und November soll nun mindestens ein Dutzend neuer Kinoprojekte an den Dreh gehen -sechs Spielfilme und sechs Dokumentarfilme. "Derzeit sind zwei Dinge unklar", so ÖFI-Direktor Teichmann: "Wer wird unter den Comeback-Bedingungen wann drehen können? Das hängt auch von den Verfügbarkeiten der Teams ab. Denn in Österreich ist die Zahl der Filmschaffenden beschränkt. Und der Rückstau an Filmproduktionen wächst: "Wie sich die Projekte tatsächlich einfädeln, wie deren Dreharbeiten dicht hintereinander folgen können und werden, ist noch weitgehend ungeklärt. Und eine Sorge läuft im Hintergrund mit: Wer weiß, wie sich die Infektionssituation weiter entwickeln wird? Wird es eine zweite Welle geben? Daher versuchen gegenwärtig viele, ihre Drehs schnell noch im Sommer ins Trockene zu bringen."

Auf eigenes Risiko arbeitet der Dokumentarist Nikolaus Geyrhalter: Er hat beim virtuellen Filmmarkt in Cannes vor wenigen Tagen sein Filmprojekt "Stillstand" vorgestellt. Als der Lockdown verhängt wurde, packte Geyrhalter seine Kamera und machte sich im Schutzanzug, begleitet nur von einem Tonmann, auf die Reise durch ein gespenstisch entvölkertes Wien. Die ersten Bilder sind spektakulär: Filmzeugnisse aus einer Zeit, in der es eigentlich kein Filmmachen geben konnte. Aber wenn man das Kino wie Geyrhalter auch als Auftrag sieht, Gegenwart und Wirklichkeit mit allen verfügbaren Mitteln festzuhalten, dann bedeutet dies eben auch, sich selbst in Gefahr zu begeben und die Regeln zu brechen. Die Regisseurin Veronika Franz, die sich selbst darüber wundert, wie "furchtlos" sie sei, sieht das ähnlich: "Man hat, wenn man Filme macht, ohnehin ständig mit Gefahrensituationen zu tun. Man dreht mit Feuer, inszeniert Unfälle oder lässt Stuntmen unvernünftige Dinge tun. So gesehen stellt uns dieses Virus auch nicht vor besonders neue Probleme. Und man hat sowieso oft sehr ängstliche Mitarbeiter; Drehen ist immer ein psychologischer Drahtseilakt."

Stefan   Grissemann

Stefan Grissemann

leitet seit 2002 das Kulturressort des profil. Freut sich über befremdliche Kunst, anstrengende Musik und waghalsige Filme.