Oper

„Freischütz“ für Freischwimmer bei den Bregenzer Festspielen

Breitwand-Bühnenturbulenzen: Die Festspiele in Bregenz zeigen heuer die Weber-Oper als Splatter-Seespektakel. Eine Rezension der Eröffnung.

Drucken

Schriftgröße

Erstaunlich, dass es Carl Maria von Webers „Freischütz“ als populäre Oper bisher in 77 Sommern nicht zu den Bregenzer Festspielen auf den Bodensee geschafft hatte (1983 lief er eine Saison lang im Festspielhaus). Jetzt aber soll die deutsche Nationaloper für potenziell 186.000 Besucher in 28 Aufführungen zum monströsen Grusical mutieren, als flottes Spiel mit tiefen Ängsten in einem schneeüberstäubten Dorf, mit neuen Texten und anderem Blick auf die Seebühne. 

Philipp Stölzl, seeerprobter Film-, Musikvideo-, Theater- und Opernmacher, inszeniert in Cinema-Scope. So verwandelt sich das biedere Singspiel um Probeschuss, Jägerglück und Gotteslob samt seiner Mitsumm-Melodien  im, auf und über dem Wasser zur feuchten Musikgeisterbahn, zur Popcornshow mit Gesang. Die passiven Frauenfiguren Agathe (mit großem Klangbogen agiert die Sopranistin Nikola Hillebrand) und Ännchen (soubrettenfrech: Katharina Ruckgaber) werden von Stölzl aufgewertet: Die eine ist schwanger, die andere lesbisch. Als Pärchen wollen sie fliehen, bis Schreiber Max (Mauro Peter) sie tödlich trifft.

Natürlich ist auch der teuflische Samiel anders und viel länger als sonst auf der Bühne: Er ist hier ein kreischiger Mephisto im orangen Gollum-Overall, körperagil dargestellt von Moritz von Treuenfels. Satan darf mitsingen, in die Musiknummern eingreifen. Dazu gibt es jede Menge Toneffekte, heulende Wölfe, knirschendes Eis, knarzende Särge, Schüsse, Donner, Gewitter. Stölzls Bühnenbild ist mit seinen windschiefen Häusern und dem versunkenen Kirchturm, dem käsigen Mond und den kahlen Bäumen clever bei Tim Burton abgekupfert. Dieser „Freischütz“ ist übrigens nur etwas für Gesangstalente mit Freischwimmerabzeichen: Jeder wird hier nass, muss mindestens ein Mal in den See. 

Zwischen so viel Spektakelrummel hat es die Weber-Musik nicht leicht. Immer wieder lahmen die Wiener Symphoniker unter Enrique Mazzolas eigentlich energetischem Zugriff. Und natürlich muss auf das Bad ein Happyend folgen. So darf der Eremit (Andreas Wolf) als queerer Papst den Segen verkünden, während das Lamm Gottes als Mondkalb steppt. Hauptsache turbulent und bunt. Über die Oper muss man hier gar nicht erst nachdenken.