Interview

Johann König: "Wir sind längst im Metaverse"

Der deutsche Galerist Johann König hält NFTs für eine spannende Erweiterung des Kunstmarkts. Er sieht ein „Massenphänomen“ heraufdämmern.

Drucken

Schriftgröße

profil: Zu den bekanntesten NFT-Kunstwerken gehören die Cartoon-Affen des „Bored Ape Yacht Club“ und die sündteuer versteigerte Collage von Beeple. Gibt es so etwas wie eine NFT-Ästhetik?
König: Man muss da unterscheiden. Bei Beeple handelt es sich um einen amerikanischen Grafiker, beim Bored Ape Yacht Club bloß um eine Profilbilder-Sammlung, die gar nicht mit dem Anspruch antritt, Kunst zu sein. An sich ist der NFT-Markt so vielfältig wie die restliche Welt auch.
 
profil: Bleiben wir kurz bei den Affen, die Stars wie die Musiker Justin Bieber und Eminem oder der US-Komiker Jimmy Fallon gekauft haben. Ist der NFT-Markt männlich dominiert?
König: Es ist durchaus ein Problem, dass diese Affen alle deutlich maskulin dargestellt sind, daher auch weniger Käuferinnen ansprechen. Es geht um Statussymbole. Viele NFTs sind ja so organisiert, dass man mit ihrem Ankauf auch Zugang zu exklusiven Zirkeln, zu Clubs und Restaurants hat. NFT-Besitzer werden auf Konzerte eingeladen oder auf Partys. Kunst ist das noch nicht. Das will sie auch nicht sein.
profil: Was macht NFTs für einen Galeristen wie Sie dann interessant?
König: Die vielfältigen Möglichkeiten. Ich begrüße sehr, dass NFTs den Markt demokratisieren und den Kunstschaffenden mehr Macht verleihen. Früher hatten nur jene Marktzugang, die von einer Galerie vertreten wurden. Das hat sich durch das Web 2.0, durch Instagram und Facebook geändert. Das Web 3.0, das nun die Verdinglichung digitaler Güter möglich macht, ist ein immenser Innovationsschub. Was wir gerade erleben, ist nur der Anfang.
 
profil: Ist es nicht problematisch, wenn analoge Kunstwerke nun reihenweise in NFTs umgewandelt werden, nur weil man beim Hype dabeisein will?
König: Klar, auf Hypes wollen alle aufspringen – auch weil bei NFTs der Eindruck entsteht, dass man schnell viel Geld verdienen kann. Aber ich denke, es muss sich erst die Spreu vom Weizen trennen. Viele der gegenwärtigen NFT-Projekte werden langfristig keine Relevanz haben. Deshalb haben wir den Marktplatz „misa.art“ gegründet: damit es einen Ort gibt, an dem kuratierte und geprüfte digitale Kunst zu kaufen ist. Zahlreiche Plattformen unterscheiden nicht, sind offen für alles, ähnlich wie Auktionshäuser.
 

"Was wir gerade erleben, ist nur der Anfang."
 

profil: NFTs werden von denen, die sie produzieren, selbst auf diversen Plattformen angeboten. Braucht es da überhaupt noch Galeristen?
König: Nein, die braucht es tatsächlich nicht mehr – und gleichzeitig mehr denn je. Weil das Angebot gigantisch groß ist, wird es für all jene, die Kunst sammeln, immer schwieriger, sich zu orientieren. Galeristen beraten, kommunizieren, schaffen Kontexte. Es geht darum, ein nachhaltiges, nachvollziehbares und qualitativ hochwertiges Programm anzubieten.
 
profil: Anders als im analogen Kunsthandel üblich werden bei Weiterverkauf von NFTs Prozente an die Urheberinnen und Urheber bezahlt.
König: Zumindest in Europa kriegen Künstlerinnen und Künstler auch im analogen Bereich Prozente. Das ist nur sehr bürokratisch strukturiert. Das Geld wird von Interessensgemeinschaften gesammelt und mit beispielsweise viereinhalb Prozent des jährlichen Umsatzes verteilt. Es ist kein Direktzufluss wie bei den NFTs. Dort läuft alles über Smart Contracts, und es ist frei verhandelbar, wie viel die Kunstschaffenden mitschneiden.
 
profil: Erwin Wurm hat über Ihre Galerie eine NFT-Animation seines „Fat Car“ (siehe kleines Foto links) verkauft. Wie ist sie entstanden?
König: Wurm wollte dieses Auto schon ursprünglich animieren. Er war sogar bei Opel in der IT-Abteilung, aber die konnten das damals nicht zufriedenstellend lösen. In diesem Kontext ergibt das „Fat Car“-NFT 20 Jahre später noch mehr Sinn.

"Es ist ein ureigener Instinkt des Menschen, Dinge besitzen zu wollen."

profil: Wie wird sich die Kunstwelt durch NFTs verändern?
König: Nachhaltig und auf allen Ebenen. NFTs werden von einem Nischen-Eliten-Vergnügen zu einem Massenphänomen werden. Kunstschaffende wie Refik Anadol, der mit maschinellen Lernalgorithmen arbeitet und traumähnliche virtuelle Räume schafft, haben das Potenzial erkannt.
 
profil: Ist der NFT-Markt nicht schon ein wenig überhitzt, mit falschen Erwartungen verknüpft?
König: Die NFT-Marktpreise sind tatsächlich hoch. Gleichzeitig ist aber spannend, dass jeder Weiterverkauf zum Vorteil der Künstlerinnen und Künstler ist. Wenn man etwas wiederverkaufen können wird, ist man doch viel motivierter, es zu erwerben.
 
profil: Wie präsentiert man NFT-Kunst? Braucht sie das Metaverse?
König: Wir sind ja längst im Metaverse. Wer Kunst sammelt, weiß, dass man auch ein Lager, ein Archiv braucht. Ein elektronisches Wallet ist nichts anderes. Es ist ein ureigener Instinkt des Menschen, Dinge besitzen zu wollen. Mit NFTs ist dies, was den Kunstsektor betrifft, besonders einfach möglich.

Zur Person

Johann König, 40, gehört zu Deutschlands umtriebigsten Galeristen und Kunst-Trendsettern. Seine Berliner Galerie befindet sich seit 2015 in einem imposanten ehemaligen Kirchenraum; unter dem Namen "König Souvenir" erscheint eine angesagte Designlinie, und auf seiner Plattform "misa. art" bietet er NFTs an.

Karin   Cerny

Karin Cerny