Zur Europawahl versammelten sich Hunderte bzw. Tausende am 8.6.2024 in München, um gegen Rechtsextremismus und die AfD zu demonstrieren.
Kulturtipp

Köpfe aus dem Sand!

Anfang des Jahres berichtete das Medium „Correctiv“ über ein Treffen von Rechtsextremisten in Potsdam. Wolfgang Paterno liest dazu das Buch der Stunde.

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Am 10. Jänner veröffentlichte das Medienhaus „Correctiv“ einen Text, der viele Hunderttausende Menschen in deutschen Städten auf die Straßen trieb. Die mit „Geheimplan gegen Deutschland“ überschriebene Reportage berichtete von hochrangigen AfD-Politikern, Neonazis und finanzstarken Unternehmern, die im November 2023 in einem Hotel bei Potsdam zusammengekommen waren: „Sie planten nichts Geringeres als die Vertreibung von Millionen von Menschen aus Deutschland.“ Ein Plan, wie Migranten und Menschen mit Migrationshintergrund aus dem Land gejagt werden sollten. 

Nach wie vor irritiert der Bericht aus Potsdam, im Guten wie im Fragwürdigen. Zuletzt merkte der deutsche Medienjournalist Stefan Niggemeier in einem „Spiegel“-Beitrag kritisch an: „Er produziert die schlimmstmöglichen Assoziationen, indem er eine Verbindung zur Wannseekonferenz herstellt, die acht Kilometer entfernt stattfand und auf der die Nazis die systematische Vernichtung der Juden planten. Aber er liefert nur wenige konkrete Belege, was in Potsdam tatsächlich genau von wem ,geplant‘ wurde.“

Entsprechende zusätzliche Beleg- und Beweismaterialien liefert nun der Journalist Marcus Bensmann, der seit zehn Jahren für „Correctiv“ recherchiert, in seinem Buch „Niemand kann sagen, er hätte es nicht gewusst“ (Galiani Berlin). Bensmann berichtet nicht nur über die „ungeheuerlichen Pläne der AfD“ (Untertitel), er schlüsselt auch vieles auf, was die menschenfeindliche Allianz von Rechtsextremisten und Konservativen ausmacht – mit tatkräftiger heimischer Unterstützung: „Martin Sellner, der rechtsradikale Medienprofi aus Österreich, mausert sich zum Ideengeber für die AfD.“

„Niemand kann sagen, er hätte es nicht gewusst“ versammelt viele Symptome unserer populistisch-politischen Unruhewelt. Das Buch puzzelt aus Dokumenten, Beobachtungen, Parteiprogrammen und Zitaten von Politikerinnen und Politikern in nüchternem Ton das Bild einer Gesellschaft zusammen, das, angefacht durch Radikalisierung und Extremismus, uns vieles um die Ohren schlägt. Ein wichtiges Aufklärungs- und Debattenbuch, das fordert: „Versuchen wir es mal mit guter Politik.“ Mit anderen Worten: Zieht endlich die Köpfe aus dem Sand!

Wolfgang   Paterno

Wolfgang Paterno

ist seit 2005 profil-Redakteur.