Portrait Karl Kraus (1874 - 1936)
Gastbeitrag

Elfriede Jelinek: Der Wortklauber

Anlässlich des 150. Geburtstags von Karl Krausräsoniert die Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek über den „großen Meister“ der Sprache und kritisiert dessen „kultische Verehrung“ als einen „Akt der Fetischisierung“. Der Abdruck des Originalbeitrags aus dem Bildband „Die letzten Tage der Menschheit” (Herausgeber: Paulus Manker) erfolgte mit freundlicher Genehmigung der Autorin.

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Ich bin wirklich keine Karl-Kraus-Expertin, die kultische Verehrung, die er bei vielen, auch großen Journalisten (Gremliza! – Hermann L. Gremliza, Herausgeber der Zeitschrift „konkret“, Anm.) genossen hat und genießt, hat mich oft abgestoßen, als ein Akt der Fetischisierung. Aber natürlich war er der große Meister der Sprache, mittels Ironie und Sarkasmus, die viele ja gar nicht verstehen. Sie haben kein Organ dafür übrig. Für sie hat, was Karl Kraus sagt, buchstäblich keinen Sinn. Es ist ja seltsam: Er scheint ihnen zu fehlen, dieser Sinn für diese Brechung der Wirklichkeit, die erst die Klarheit eines Tatbestands herbeiführt. Und da ist natürlich noch viel mehr, das sie nicht kennen. Es fehlt einem aber nichts, wenn einem das fehlt.

Karl Kraus. Der Herausgeber der „Fackel” 1909, die erstmals 1899 erschien und die er ab 1911 in Alleinautoren-Herrschaft führte.

„Aber die Sprache, seine Sprache, die das Liebespaar Wort und Sprache aus den Absteigequartieren treibt, kann wie immer alles, sie treibt Ästchen um Ästchen heraus, wie Gott.“

Elfriede  Jelinek

Elfriede Jelinek

Österreichische Schriftstellerin & Literatur-Nobelpreisträgerin