Ein Beschuldigter: Der deutsche Schauspieler und Erfolgsregisseur Til Schweiger soll während Dreharbeiten aggressiv und übergriffig agiert haben.
Debatte

Gebrüll und Übergriffe: Kursiert in Österreichs Filmbranche eine "schwarze Liste"?

Europas Filmbranche wird in großem Stil auf Machtmissbrauch durchleuchtet. Auch in Österreich kündigen sich verschärfte Gegenmaßnahmen – und weitere Eklats an.

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Hartnäckig hält sich das Gerücht, dass in Österreichs Filmszene, erschüttert vom Fall Florian Teichtmeister, neuerdings eine Art „schwarze Liste“ kursiere, die Namen von Schauspiel- und Regiekräften enthalte, mit denen jede Zusammenarbeit künftig zu vermeiden sei. Es geht um cholerische Ausbrüche, Druck- und Machtausübung sowie sexuell übergriffiges Verhalten jeglicher Art – all diese Methoden gehörten vor wenigen Jahren noch zur trüben Standardausstattung vieler prominenter Filmschaffender.

Letzthin haben die Verhältnisse sich gewandelt, den (zwar noch existierenden) Set-Tyrannen werden Manipulation, Achtlosigkeit und Demütigung heute entschieden schwerer gemacht. Vor allem zwei Namen, die einem Star-Schauspieler und einem durchaus namhaften Regisseur gelten, werden all jenen, die sich diesbezüglich in der Branche umhören, immer wieder zugeraunt.
In Deutschland erregt der infolge eines Berichts des deutschen Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ entstandene Skandal um Til Schweiger seit Tagen die Öffentlichkeit. Dem Schauspieler wird vorgeworfen, alkoholisiert am Set erschienen zu sein, physische Gewalt angewandt und sexistisch agiert zu haben. Und auch in Frankreich steht die Filmbranche in Verruf: Um gleich zwei der Werke, die in wenigen Tagen in Cannes uraufgeführt werden, ranken sich Erzählungen von Unachtsamkeit und Gewaltanwendung. Die französische Filmemacherin Maïwenn, die den Eröffnungsfilm des Festivals inszeniert hat, etwa soll einen Journalisten in aller Öffentlichkeit attackiert haben.

Roland Teichmann, Chef des Österreichischen Filminstituts, zeigt sich von dem Gerücht einer Liste überrascht: „Das höre ich zum ersten Mal. Natürlich: Hinter vorgehaltener Hand werden immer wieder Namen genannt von Leuten, die sich an Sets schlecht verhalten hätten, aber das ist kaum zu verifizieren. Das Positive daran ist aber, dass diese Dinge endlich thematisiert werden. Aber das muss fair und transparent sein, darf nicht zu Rufmord führen. Früher wurde viel zu oft geschwiegen. Schwarze Liste sind aber kein probates Mittel.“ Auch Iris Zappe-Heller, die Gender- und Diversity-Beauftragte am Haus, versichert auf Nachfrage, von einer Liste nichts zu wissen.
Die Filmemacherin und Aktivistin Katharina Mückstein gibt ebenfalls an, „von einer derartigen Liste noch nie gehört“ zu haben, „ich wüsste auch nicht, wer eine solche anfertigen könnte oder sollte. Natürlich sprechen Betroffene und nennen auch Namen, aber ich kenne keine Institution in dieser Branche, die Beschwerden oder Vorwürfe sammeln und daraus Konsequenzen für Personen, die ihre Macht missbrauchen, ableiten würde.“ Als selbst Betroffene sei sie solidarisch mit vielen anderen Betroffenen, daher wisse sie, „dass es in den meisten Fällen keine Handhabe und keinerlei Konsequenzen etwa nach Übergriffen oder Machtmissbrauch gibt.“
Seit Juli letzten Jahres, als Mückstein mit couragierten Interventionen eine neue #MeToo-Welle lostrat, habe man „starken Zulauf“ von Leuten, denen im Rahmen von Filmproduktionen Unangenehmes widerfahren sei, sagt Meike Lauggas von der Anlauf- und Beratungsstelle #we_do!, wo man gegen Diskriminierung und Ungleichbehandlung, Machtmissbrauch, sexuelle Übergriffe und Verletzungen im Arbeitsrecht kämpft – für alle, die in der österreichischen Film- und Fernsehbranche tätig sind. „Und ja, mitunter fallen auch Namen", sagt Lauggas noch. „Aber wir sind weder Polizei noch Gericht. Wir empfehlen auf Anfrage von Produktionsfirmen Vorsichtsmaßnahmen und entwickeln Pläne, die verhindern sollen, dass Übergriffe passieren oder sich wiederholen können, moderieren bisweilen auch Gespräche zwischen allen Seiten, wenn das von der betroffenen Person gewünscht wird. Wir unterliegen aber der Verschwiegenheitspflicht. Ob aus den Namen, die fallen, eine Liste gemacht wurde? Keine Ahnung. Aber es kursieren Namen in der Branche, so viel steht fest.“

Stefan   Grissemann

Stefan Grissemann

leitet seit 2002 das Kulturressort des profil. Freut sich über befremdliche Kunst, anstrengende Musik und waghalsige Filme.