"Gefühlte Wahrheiten" von Jochen Distelmeyer: So nah, wie du kannst
In diesem Hitzesommer ohne Anfang und Ende, ohne Hoffnung und Perspektive, sollte man möglichst oft zu Musik greifen, die einen, wenn nicht umarmt, dann doch ein Stück weit an der Hand nimmt. Aktuelles Heilmittel gegen die Vereinzelung und die Summertime Sadness: „Gefühlte Wahrheiten“, das neue Album des deutschen Musikers und Poeten Jochen Distelmeyer. Die Wahrheit ist: Distelmeyer, 55 Jahre jung, veröffentlicht nur dann neue Lieder – und darauf ist Verlass –, wenn er wirklich etwas zu sagen hat. So schenkt uns Distelmeyer die erschütterndsten Liebeslieder deutscher (und manchmal auch englischer) Sprache, etwa „Komm (so nah wie du kannst)“, Songs, die jede Sekunde in wahrhaftige Liebeskummer-Erzählungen („Nur der Mond“) kippen können und dabei das Politische, die Gesellschaft im Blick behalten. Denn die gefühlte Wahrheit sagt: Ohne Liebe gibt es keinen Schmerz, ohne Kummer keine Freude, ohne Distelmeyer keine relevante deutsche Großpopmusik.
16 Jahre lang zeichnete Distelmeyer als Kopf der Hamburger Band Blumfeld für Texte und Musik verantwortlich. 2007 löste sich die Band auf, hinterließ eine Baulücke, die nicht zu schließen ist. Seinem Dogma bleibt er bis heute treu: In seinen Singer-Songwriter-Miniaturen, die zwischen Soul, Country und Bob Dylan changieren, geht es um Klarheit, Einfachheit und Prägnanz. Uns trifft er damit mitten ins Herz – solange wir noch eines haben.
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