Gegenwartsmärchen und Todeskomödien: Lebe lieber ungewöhnlich!
Wer im Kino nur das Gewohnte sucht, ist bei Alexandre Koberidze, 37, nicht an der richtigen Adresse. Der aus Tiflis gebürtige, seit 2009 in Berlin lebende Regisseur macht Filme, deren entrückt ironischer Erzählfluss bezaubert, die in Montage, Farbgebung und Fotografie aber da und dort auch befremden. Seine Werke tragen Titel wie „Lass den Sommer nie wieder kommen“ (2017) oder nun eben „Was sehen wir, wenn wir zum Himmel schauen?“ (2021).
Koberidzes zweiter, international bereits vielfach ausgezeichneter Langfilm variiert in magisch-realistischen Skizzen das alte Motiv der Liebenden, die schicksalhaft voneinander ferngehalten werden: Ein junges Paar zieht sich einen mysteriösen Fluch zu, der sie äußerlich verwandelt; so können sie einander nicht mehr wiedererkennen, bleiben aber per Zufallsfügung in Verbindung. In der georgischen Kleinstadt Kutaissi gedreht, vermittelt die semidokumentarische, aus Licht, Gesten und Musik gebaute Inszenierung ein sehr präzises Bild ihres Schauplatzes, an dem beseelte Dinge, Pflanzen und Tiere sowie ein allwissender Erzähler auftreten.
Ironisch geht auch der Franzose François Ozon ans Werk, obwohl der Stoff, den sein neuer Film behandelt, das Zeug zur Tragödie hätte: Ein Schlaganfall legt seinen Helden (André Dussollier) dauerhaft lahm; der Alte, zwischen Selbstmitleid und Wut schwankend, will seinem Leben ein Ende setzen. Doch dazu braucht er die Hilfe seiner Töchter. „Alles ist gut gegangen“ basiert auf den Erinnerungen der Autorin und einstigen Ozon-Mitarbeiterin Emmanuèle Bernheim. Unter der Oberfläche eines konventionellen Dramas über medizinisch assistierten Suizid verbirgt sich eine skurrile Familienkomödie der Oberschicht, mit der Ozon an die Frische früher Erfolge wie „Sitcom“ (1998) anschließt. Sophie Marceau und Géraldine Pailhas tragen als skeptische Schwestern das Gewicht der ethischen Debatte, während Dussollier die Chance ergreift, als egozentrischer Vater seinen Nachwuchs zu belästigen.